Interview
Klinsmann, Löw und Bierhoff sind eine Ideallösung
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| Freitag, 26. November 2004Uwe Rapolder mit Christoph Biermann (SZ 26.11.)
SZ: Vor sieben Jahren haben Sie ein Essay über den AC Mailand geschrieben und über dessen Coach Arrigo Sacchi gesagt: „Er liebt die Theorie als Mutter der Praxis.“ Gilt das für Sie auch?
UR: Ja, denn es gibt keine Praxis ohne funktionierende Grundlage. Theorie ist in meiner praktischen Arbeit wichtig, wenn ich den Spielern etwas an die Tafel male, damit sie ihre Aufgaben visualisieren können. Komme ich neu zu einer Mannschaft, wie im Frühjahr in Bielefeld, zeige ich in den ersten Wochen so lange jede Übung erst an der Tafel und dann auf dem Platz, bis sie sitzen. Kommen neue Spieler, wird das wiederholt.
SZ: Bringt diese Schulung etwas?
UR: Es steigert die Bereitschaft der Spieler enorm, wenn sie genau erklärt bekommen, wie ihnen eine Übung im Training beim Spiel helfen wird. Man kann heute nicht mehr den Ball hinwerfen und sagen: Spielt mal! (…)
SZ: Sehen Sie Ihrer Arbeitsweise geistesverwandte Trainer in der Bundesliga?
UR: Selbstverständlich, Jürgen Klopp und Ralf Rangnick arbeiten ganz ähnlich. Volker Finke in Freiburg setzt mehr auf Flexibilität, während unser 4-4-2-System eine relativ feste Ordnung verlangt. Es ist ein System zum Forechecking und Pressing, das den Gegner vom Tor weghalten will. Wir haben mit der Arminia nämlich nicht deshalb relativ wenig Gegentore bekommen, weil unsere Verteidiger so gut sind, sondern weil wir den Gegner schon früh stören.
SZ: Und dann kontern.
UR: Ja. Es gab vor einigen Jahren eine große Untersuchung, bei der Hunderte von Spielen ausgewertet wurden. Demnach fallen 80 Prozent aller Tore nach spätestens fünf Pässen. Lange Ballzirkulation ist nicht effizient, daher finde ich es auch richtig, dass Jogi Löw in der Nationalmannschaft predigt, schnell in die Spitze zu spielen.
SZ: Sie machen es sich offensichtlich zur Gewohnheit, die neue Führung der Nationalmannschaft zu loben.
UR: Ja, weil Klinsmann, Löw und Bierhoff fast schon eine Ideallösung sind. Sie stehen für einen Wandel im Fußball, von dem ich persönlich ebenfalls profitiere. 1998 hatte ich bei Waldhof Mannheim wegen der Viererkette noch richtig Stress. Roland Dickgießer kam vom DFB zurück und sagte: „Da lachen alle über die Viererkette.“