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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Internationaler Fußball

Ein Stenz

Oliver Fritsch | Mittwoch, 1. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Ein Stenz

Sehr lesenswert! Deutschlands Fußballfreunde dürstet es nach Informationen über José Mourinho – Michael Wulzinger (Spiegel 29.11.) hilft: „Mourinho tritt im Mutterland des Fußballs mit einer Arroganz auf, die – Siege hin, Siege her – selbst den schrulligen Charakteren durchaus zugeneigten Briten bisweilen zu weit geht. Mourinho weiß alles besser. Mourinho hat keinen Respekt. Mourinho ist ein Stenz. Mal ist er pampig, mal schneidend, mal eiskalt. Kurzum: Der Mann, der wie sein Mäzen Roman Abramowitsch aus dem Nichts kam und plötzlich auf einer Weltbühne wandelt, geriert sich bei seinen öffentlichen Auftritten mit Hingabe als Widerling. Bereits bei seiner Vorstellung eröffnete Mourinho den verblüfften Journalisten: „Chelsea hat eine Topmannschaft, und, entschuldigen Sie, wenn das arrogant klingt: Chelsea hat jetzt vor allem einen Toptrainer.“ In Anlehnung an den in England beliebten Kriegsfilm „The Eagle Has Landed“ spotteten die Kommentatoren: „The Ego has landed“: Das große Ich ist da. Seither lässt der Südeuropäer, gefragt oder ungefragt, keine Gelegenheit aus, seine Mannschaft als Übermacht des Fußballs zu preisen oder sich abschätzig über die Konkurrenz zu äußern. Siege von Chelsea sind grundsätzlich verdient, basta. Bei einem Unentschieden wie dem 0:0 gegen Paris Saint-Germain sollten die Franzosen „in die Kirche gehen und sich beim lieben Gott bedanken, dass sie einen Punkt mitnehmen durften“. Und bei einer Niederlage wie dem 0:1 gegen Manchester City sind höhere Mächte im Spiel gewesen. Oder der Schiedsrichter war eben ein Blinder und der Rasen ein Acker.“

Abgrenzungen

Marc Lehmann (NZZ 1.12.) über politische Vergangenheit und Distinktion Ferencváros Budapests: „Ferencváros, von den Anhängern „Fradi“ genannt, ist der populärste Verein in Ungarn. 1899 von deutschen Kleinbürgern gegründet, war er der Klub der Massen, dessen Glanz weit über Budapest hinausstrahlte. Eine tiefe Feindschaft pflegt er seit je mit dem Nachbarn MTK Budapest, einem jüdischen Verein aus dem gleichen Stadtteil, der heute vor allem auf Intellektuelle anziehend wirkt. Das Selbstverständnis „Fradis“ hat sich lange aus der Abgrenzung gegenüber dem Klub der Juden genährt. Ferencváros war die Lieblingsmannschaft der ungarischen Faschisten, der sogenannten Pfeilkreuzler. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden auf den Rängen manchmal noch Parolen skandiert, die an die Deportationen von MTK-Spielern und -Anhängern während des Zweiten Weltkriegs nach Auschwitz erinnerten. Die braune Vergangenheit ist ein schweres Erbe. Noch heute wird Ferencváros durch gelegentliche rassistische Ausschweifungen eines Teils seiner Fans in Verruf gebracht. Der Popularität des ungarischen Rekordmeisters tun die Fehltritte aber keinen Abbruch. Den meisten Zeitgenossen in Ungarn ist vor allem in Erinnerung geblieben, dass Ferencváros während der Herrschaft der Kommunisten nie in deren Abhängigkeit geraten war. Die Farben Grün und Weiss zu tragen, bedeutete auch, sich gegenüber dem Regime abzugrenzen. Dieses Image ist bis heute prägend.“

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