Ball und Buchstabe
Selten schön
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| Donnerstag, 2. Dezember 2004Wie darf das Nürnberger Frankenstadion auf keinen Fall heißen, Philipp Selldorf (SZ 2.12.)? „Der Name Hochtief-Stadion ist aus humanitären Gründen nicht vertretbar – er würde die Club-Fans in den Wahnsinn treiben. Schon seit Anbeginn der Namensdebatte graut es den Anhängern davor, wie auf ihre Kosten stets der gleiche Witz gemacht wird. Zwar würde der Scherz nach dem durchschaubaren Prinzip von Bananenschale und Sahnetorte ablaufen, aber das hätte in Anbetracht einer solchen Steilvorlage für Spott und Belustigung keine abschreckende Bedeutung. Daher verbietet sich der Name Hochtief-Stadion als Titel für den Spielplatz eines typischen „Fahrstuhlvereins“, wie es der 1. FC Nürnberg leider ist. Raufrunter-Arena, haha… Die WM 2006 beschert dem deutschen Fußball viele schöne, neue Stadien, die jedoch selten schöne Namen tragen. Traditionelle Spielstätten, die seit Jahrzehnten ihre Herkunft im Wappen führten, hören nun auf uncharmante Akronyme, hinter denen sich radikale Splitterparteien oder gesetzliche Krankenkassen verbergen könnten.“
Die Botschaften bleiben überall die gleichen
Gunter A. Pilz, Gewaltforscher, im Interview mit Frieder Pfeiffer (SpOn 1.12.)
SpOn: Was sind das für Menschen, die in den Stadien durch rassistische Verbalattacken auffällig werden?
GP: Das sind auf keinen Fall nur Dumpfbacken. Wir haben zwar in den neuen Bundesländern noch einen höheren Anteil dieser Fans in der rechtsradikalen Fußballszene. In den alten Bundesländern sind es jedoch bei weitem nicht nur diese Modernisierungsverlierer. Dort geht es quer durch alle Schichten. Auch Abiturienten und Studenten bringen hier gezielt rechtes Gedankengut mit in die Stadien. Das hängt teilweise damit zusammen, dass es immer mehr arbeitslose Akademiker gibt. Sie gehören in der Außenseiter-Etablierten-Konstellation auf einmal auch auf die Verliererseite und nehmen Abwehrhaltungen ein. In diesem Bedrohungsgefühl liegt die Fremdenfeindlichkeit begründet.
SpOn: Derzeit sind vor allem aus Spanien und Italien Meldungen über fremdenfeindliche Ausschreitungen zu vernehmen. Ist das Problem dort schwerwiegender?
GP: Nein, das ist dort nicht stärker verbreitet. Es ist nur so, dass zum Beispiel in Italien ganz andere gesetzliche Rahmenbedingungen herrschen. In italienischen Stadien kann man per Transparent Leute nach Auschwitz wünschen, ohne dass man gerichtlich belangt wird. Auch ein Hitlergruß ist dort kein Straftatbestand. Und wenn so etwas toleriert wird, kommt es natürlich schneller zu rechtsradikalen Parolen. In Deutschland ist das alles strikt verboten. Die Deutschen haben eine Sensibilität, was den Nationalsozialismus angeht, die die Italiener trotz Mussolini anscheinend nicht haben. Auch greifen bei uns die Maßnahmen des Staatsschutzes besser. Dadurch wird der Rassismus aber lediglich subtiler betrieben. Es stimmt weiterhin nicht, dass nur, weil das Problem des Rechtsradikalismus in diesen Ländern häufiger auftritt, es dort akuter ist. Die Botschaften bleiben überall die gleichen.