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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Jürgen Klinsmann

Oliver Fritsch | Freitag, 3. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Jürgen Klinsmann

Jürgen Klinsmann hat „die bisher wichtigste sportpolitische Partie für sich entschieden“ (FAZ): das WM-Quartier ist in Berlin / „das Alte zählt nicht mehr“ (Tsp) / „eine historische Leistung, dass Klinsmann ein neues Jobverständnis etabliert hat“ (BLZ) / Bayer Leverkusen, „die beste Opfernebenrolle im deutschen Fußball“ (FAZ) / Klinsmann (Tsp): „Ich respektiere die Enttäuschung in Leverkusen“

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Enthusiast

Robert Ide (Tsp 3.12.) würdigt Jürgen Klinsmanns Entscheidung in der Quartierfrage: „Klinsmann hat den DFB aus seiner Erstarrung geweckt. Dazu hat er getroffene Absprachen vernachlässigt, dazu hat er verdiente Mitstreiter aussortiert. Nun hat er sogar Theo Zwanziger bloßgestellt. Der hatte in der Quartierfrage auf die Verabredungen mit Leverkusen gepocht. Doch das Alte zählt nicht mehr. Der Geist von Spiez, der Geist von Malente – irgendwie klang das immer ein wenig kleingeistig. Nun will Klinsmann in Berlin den Titel holen. So einen Enthusiasten gab es im deutschen Fußball lange nicht.“

Neues Jobverständnis

Christof Kneer (BLZ 3.12.) fügt hinzu: “Es hat erst Klinsmann kommen müssen, um das Land zu lehren, welche Macht ein Bundestrainer haben kann, wenn er sich traut. Man mag es fast eine historische Leistung nennen, dass er ein völlig neues Jobverständnis etabliert hat. Es ist jetzt nicht mehr so, dass ein anonymes Netzwerk namens DFB mit den Netzwerksaußenstellen München und Leverkusen die Sportpolitik bestimmt und der Bundestrainer überlegt, ob er zwei oder drei Stürmer bringt. Es ist jetzt so, dass der DFB eine Organisations- und Dienstleistungsstruktur zur Verfügung zu stellen hat – und dann bestimmt Jürgen Klinsmann.“

Neue Begeisterung für die Nationalmannschaft entfacht

Wort gehalten – „Klinsmann hat den Laden auseinander genommen“, stellt Andreas Burkert (SZ 3.12.) lobend fest: “Klinsmann und Schröder sind freundschaftlich verbunden, und irgendwie ist die Entscheidung zugunsten Berlins als Standort des WM-Trainingslagers auch ein politisches Signal. Denn 2006 wählt Deutschland wieder. Die Opposition mag diesen FC Deutschland 06 schon jetzt kritisch begleiten, doch wahr ist auch, dass der moderne Schwabe bei seinen Landsleuten eine neue Begeisterung für die Nationalmannschaft entfacht hat. Klinsmann hat deshalb das Recht, seinen Weg zu gehen und eineinhalb Jahre in Ruhe zu arbeiten.“

Beste Opfernebenrolle im deutschen Fußball

Roland Zorn (FAZ 3.12.) befasst sich mit den Verlierern der Entscheidung: „Bayer, für diese Prognose bedarf es keiner prophetischen Gabe, muß und wird auch diese Pille schlucken. Schließlich kann dem Konzern auf Jahre hinaus niemand mehr den Ehrenoscar für die beste Opfernebenrolle im deutschen Fußball streitig machen.“

Ich respektiere die Enttäuschung in Leverkusen

Jürgen Klinsmann im Interview mit Sven Goldmann & Michael Rosentritt (Tsp 3.12.)
Tsp: Was gab den Ausschlag für das deutsche WM-Quartier in Berlin?
JK: Ich lege Wert darauf, dass es eine rein sachliche Entscheidung war. Berlin als Gesamtpaket passt am besten, eine Metropole mit besten Bedingungen. Wir wohnen in der Stadt und sind doch für uns. Die Fahrt zum Trainingsgelände von Hertha BSC ist kurz, wir haben die Bedingungen dort kennen gelernt während des Länderspiels gegen Brasilien. Das hat uns sehr gut gefallen, deswegen ist uns die Entscheidung sehr leicht gefallen. Und auch für Sie und Ihre Kollegen von den Medien ist das doch eine ganz gute Entscheidung, oder?
Tsp: Welche Rolle spielen Ihre Erfahrungen dabei? Sie mussten vor der WM 1994 mit der Abgeschiedenheit von Malente vorlieb nehmen. Ein Kurort, in dem 80 Prozent aller Gäste bereits im siebten Lebensjahrzehnt waren.
JK: Natürlich denkt man daran ab und zu zurück. Aber die Zeiten, in denen die Nationalmannschaft kasernengleich in Sportschulen wohnte, sind doch eh lange vorbei. Ein Glück! (…)
Tsp: Sie freuen sich, die Berliner auch, aber in Leverkusen wird es Tränen geben, vielleicht sogar Wut. Gibt es irgendeine Kompensation für die Stadt, die der DFB in der Ära Ihres Vorgängers Rudi Völler als Standort auserkoren hatte?
JK: Es war ja auch keine Entscheidung gegen Leverkusen, sondern eine Entscheidung für Berlin. Auch Leverkusen hätte sehr gute Bedingungen geboten, aber wir finden nun mal, dass wir jetzt besser nach Berlin passen. Ich respektiere die Enttäuschung in Leverkusen, aber wir können nun mal nur an einem Ort wohnen.

Die Zeit der Sportschulen ist vorbei, das ist Folklore von früher

Klinsmann im Interview mit Christof Kneer (BLZ 3.12.)
BLZ: Soll Berlin nicht doch ein Zeichen sein – nach dem Motto: Hier findet das Finale statt, deshalb verstecken wir uns nicht und ziehen dahin? Passt das nicht gut zu Ihren Motivationsbotschaften?
JK: Das spielt auch eine kleine Rolle. Die Quartierwahl soll auch unser Selbstbewusstein ausstrahlen.
BLZ: In Berlin rücken die Spieler auch näher an die Öffentlichkeit heran.
JK: Ja, auch deshalb ist der Grunewald ideal. Man ist in der Stadt, aber doch nicht richtig. Man hat im Hotel seine Ruhe, aber man ist schnell in der Stadt, wenn man mal Kaffee trinken oder ins Kino gehen möchte.
BLZ: Bislang galt immer , dass ein Spieler Ruhe, Ruhe, Ruhe braucht.
JK: Die Zeit der Sportschulen ist vorbei. Der Hochleistungssport hat sich extrem weiter entwickelt. Das sind heute verantwortungsbewusste Athleten, da müssen wir uns keine Gedanken machen, ob da einer über den Zaun springt und in die Kneipe rennt. Das ist eine Generation, die genau weiß, was sie will. Die machen so was nicht, das ist Folklore von früher.

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