Bundesliga
Schlechteste Mannschaft der ersten 45 Minuten
Kommentare deaktiviert für Schlechteste Mannschaft der ersten 45 Minuten
| Montag, 6. Dezember 2004Die Spiele des 16. Spieltags: „Die Bayern sind noch nicht soweit, die Liga wie in alten Zeiten zu beherrschen“ (FAZ) – „Stuttgart fühlt sich wieder als Fußballmacht“ (Tsp) – „perfekte Strategie Hannovers“ (FAZ) – „Bayer Leverkusen ist in dieser Saison die schlechteste Mannschaft der ersten 45 Minuten“ (SZ) – Hertha BSC Berlin an der „Weggabelung“ (BLZ)?
……..
1. FC Nürnberg-Bayern München 2:2
Die Bayern sind noch nicht soweit, die Liga wie in alten Zeiten zu beherrschen
Warum ist Felix Magath verärgert, Gerd Schneider (FAZ 6.12.)? „Die Partie in Nürnberg wird ihm gezeigt haben, daß seine Bayern ein besonders schwerer Fall sind. Das Bequeme, Selbstgefällige, das sich unter der freien Hand von Magaths Vorgänger Ottmar Hitzfeld breitgemacht hat, läßt sich nicht so ohne weiteres austreiben. Die Konkurrenz hatte nach zuletzt fünf Bayern-Siegen in Serie schon befürchtet, Magaths Arbeit trage früh Früchte. Schon war von einem Münchner Alleingang die Rede. Das ist Unsinn. Die Bayern sind noch nicht soweit, die Liga wie in alten Zeiten zu beherrschen. Der Erfolgshunger wächst, aber Rückschläge sind nicht ausgeschlossen.“
VfB Stuttgart-VfL Bochum 5:2
Verschworene Einheit
Peter Heß (FAZ 6.12.) schreibt über die Zweifel an Matthias Sammer: “Daß Sammer zu den Guten seiner Branche zählt, hat er bewiesen. Wenn eine Mannschaft einen Lauf hat, kann sie jeder trainieren. Dem Sachsen ist es gelungen, seine Spieler nach einer überraschenden Schwächeperiode wieder auf Erfolgskurs zu trimmen. Wie der VfB sich gegen die drohende Niederlage stemmte, wie die Spieler auf dem Platz eine verschworene Einheit bildeten und wie die tragenden Figuren nach dem Sieg ihren Trainer lobten, all dies zeigte, daß Sammers Wirken Eindruck hinterläßt. Jetzt könnte man entgegnen, mit einem wirklich guten Trainer wäre der VfB gar nicht erst in ein Loch gefallen. Aber bei der Zusammensetzung der Mannschaft kann niemand erwarten, daß Stuttgart ohne Auf und Ab durchs Jahr kommt. Das Spiel ihrer jungen Spitzenkräfte ist zu risikobehaftet.“
Stuttgart fühlt sich wieder als Fußballmacht
Stuttgart Euphorie lässt sich derzeit scheinbar spielend erzielen – Martin Hägele (Tsp 6.12.): „Die Grundschullehrerin aus Steinenbronn bei Stuttgart spricht zwar nur für ihre Klasse, aber man kann getrost davon ausgehen, dass die Erfahrungen der Pädagogin für die ganze Region gelten. „Fast alle Jungs wollen zu Weihnachten ein Trikot von Kevin Kuranyi und Alexander Hleb.“ Und seit Samstag dürften diese Wünsche lautstarker denn je geäußert werden. Seit der letzten halben Stunde gegen den VfL Bochum fühlt sich Stuttgart wieder als Fußballmacht im Land.“
Hamburger SV-Hannover 96 0:2
Perfekte Strategie
Jörg Marwedel (SZ 6.12.) hat die Taktik der Sieger seziert: „Was die 96er auf dem ramponierten Rasen vorführten, war das Musterbeispiel einer perfekten Strategie. Die eigene Hälfte des Spielfeldes hatte man in eine Art beweglichen Dschungel verwandelt, in dem wendige Buschkämpfer wie Kapitän Altin Lala oder Julian de Guzman sich allen Eindringlingen so geschickt und beherzt in den Weg stellten, dass es, die verzweifelte Hamburger Schlussoffensive einmal ausgenommen, kaum ein Durchkommen bis zum souveränen Abwehrchef Per Mertesacker und Torwart Robert Enke gab. Herrscher dieses Dschungels aber war Nebojsa Krupnikovic. Mit einer einzigen Körpertäuschung löste der Oberstratege das planvolle Durcheinander zuweilen auf und spielte dann einen seiner präzisen Pässe auf die bis zur Erschöpfung rochierenden Stürmer Thomas Christiansen, Silvio Schröter und Stendel. Sehenswerte Konter waren das.“
Schöner Fußball mit Kopf und Herz
Frank Heike (FAZ 6.12.) erkennt Fortschritt: “Seit Wochen beeindruckt die Hannoveraner Spielweise. Waren die ersten Siege des zu Saisonbeginn enorm unter Druck und vor dem Rauswurf stehenden Lienen noch Resultat von Kampf und Rackerei, spielt Hannover spätestens seit dem 3:1 gegen Kaiserslautern schönen Fußball mit Kopf und Herz. (…) Es ist anzunehmen, daß sich der bodenständige und auch in Niederlagen souveräne Doll nicht den Kopf von den vielen Einflüsterern rund um den HSV verdrehen läßt. Insofern: ein Rückschlag, kein Rückschritt.“
Europapokalgeile Hamburger Öffentlichkeit
Pustekuchen – Hendrik Ternieden (taz 6.12.): „Der inzwischen erfolgsverwöhnten Truppe von Thomas Doll fehlten über 90 Minuten die Ideen, gegen die hervorragend organisierte Defensive der Hannoveraner anzuspielen. Somit hat Hannover dem HSV den Tabellenplatz weggeschnappt, von dem die europapokalgeile Hamburger Öffentlichkeit nach der kleinen Erfolgsserie mal wieder geträumt hatte.“
SC Freiburg-Werder Bremen 0:6
Ohne Finke wärt ihr gar nicht hier
Christoph Kieslich (FAZ 6.12.) analysiert den Freiburger Diskurs: „Im krassen Gegensatz zur hoffnungslosen sportlichen Lage hatte auf den Rängen ein bemerkenswert aufmunterndes Klima geherrscht. Kreativ und inbrünstig wie schon lange nicht mehr begleiteten die Fans den Sport-Club während dieser desaströsen Partie. Erklang zur Pause noch ein trotzig-trauriges „Das Licht geht aus, wir geh‘n nach Haus, rabimmel, rabammel, rabumm“, rührte sich im Freiburger Block mit dem vierten und dem fünften und dem sechsten Gegentor jener kleine Teil der Fans, die mit „Finke raus!“ und „Wir ham die Schnauze voll“ ihre Wut herausbrüllten. Sie fanden im Stadion keine Gefolgschaft. Sie bekamen „Ultras raus!“ zur Antwort. Den Lagerkampf im Freiburger Fußball spitzte die Parole der Gegenseite zu: „Ohne Finke wärt ihr gar nicht hier.“ Der erstaunlichste Beitrag kam jedoch aus einer anderen Ecke: „Gegen Bremen kann das mal passieren“, meldeten sich die Werder-Fans fröhlich zu Wort.“
Bayer Leverkusen-VfL Wolfsburg 2:1
Chronische Krankheit
Aufwachen! Christoph Biermann (SZ 6.12.): „Die Frage danach, wann ein Fußballspiel beginnt, beinhaltet eigentlich keinen besonderen Spielraum für philosophische Erörterungen. Los geht’s halt, nachdem der Schiedsrichter angepfiffen hat – nicht so allerdings bei Bayer Leverkusen. Ein wunderschönes Beispiel für das ganz eigene Schreiten der Leverkusener durch Zeit und Raum führte der brasilianische Nationalspieler Juan vor. Er war zwar in seiner normalen Berufsbekleidung aus Trikot, Stutzen, Fußballschuhen etc. aufgelaufen, doch mental trug der Verteidiger ganz offensichtlich noch Pyjama und Pantoffeln. Diese Dinge geschehen durchaus auch bei anderen Mannschaften, nur passieren sie in Leverkusen so regelmäßig, dass Klaus Augenthaler damit umgeht wie Menschen, die sich mit chronischen Krankheiten zu arrangieren haben. „Bitte von Anfang an konzentriert“, so erzählte Augenthaler, würde er seinen Spielern vor jeder Partie noch auf den letzten Metern zum Platz sagen. Der Erfolg dieser Ermahnung ist gleich Null. Bayer Leverkusen ist in dieser Saison die schlechteste Mannschaft der ersten 45 Minuten.“
Hertha BSC Berlin-Borussia Mönchengladbach 6:0
Vorweihnachtliche Mitbringsel vom Niederrhein
Wie konnte dieses Spiel mit einem solchen Ergebnis enden? fragt sich Matthias Wolf (FAZ 6.12.): “Der Trainer ist gerade einmal etwas mehr als vier Wochen im Amt und schon so umstritten, wie er es als Bondscoach in der Heimat war. Es hat wohl selten zuvor ein Übungsleiter so rasch nach Dienstantritt den Stab über seinem Personal gebrochen. Immer wieder spricht Advocaat vom geplanten Umbau des Kaders. Er läßt Reservisten links liegen, legt Unzufriedenen nahe zu gehen – und urteilte auch in Berlin wieder mit abfälligen Worten und Blicken, die noch mehr sagen, über jene Angestellten, die immerhin im letzten Spiel vor seinem Dienstbeginn unter Horst Köppel noch Bayern München besiegt hatten. (…) Torwart Darius Kampa verhinderte eine zweistellige Niederlage gegen Berliner, die lange behäbig wie ein Altherrenensemble agiert hatten. Erst dann lagen vorweihnachtliche Mitbringsel vom Niederrhein auf dem Gabentisch.“
Weggabelung
Michael Jahn (BLZ 6.12.) ist mit Hertha optimistisch: „Es spricht sehr vieles dafür, dass dieser hohe Sieg zu einer Art Schlüsselerlebnis für Hertha BSC werden könnte. Es zählt zu den kuriosen Details des Spiels, dass sich bis zur Halbzeit kein Debakel für Gladbach angedeutet hatte. Bis dahin sah man die alte Heimhertha, die behäbig daher kam. Doch es zählte diesmal zu ihren Tugenden, dass sie einen angeschlagenen Gegner am Ende auch ausspielte – so machen das Mannschaften aus dem oberen Tabellendrittel; möglicherweise war dieses Spiel für Hertha eine Art Weggabelung.“