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Bundesliga

Klugscheisser

Oliver Fritsch | Dienstag, 7. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Klugscheisser

7. Dezember

„Klugscheisser“ (NZZ), Kritik an der Frankfurter Rundschau für deren Kritik an Volker Finke – „Borussia Dortmund hat einen Niedergang angetreten, der noch längst nicht sein Ende erreicht hat“ (SZ) – die Dortmundisierung Schalkes oder die Schalkisierung Dortmunds – Ralf Rangnick, „im Crashkurs durch die Welt des Profifußballs“ (Spiegel)

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Klugscheisser

Bemerkenswert! Martin Hägele (NZZ 7.12.) kontert die Kritik der Frankfurter Rundschau an Volker Finke mit „Ausgerechnet!“: „Finke mag sich mal wieder an den Kopf gegriffen haben, wie solche Sätze in ein Blatt gelangen können, das ihm politisch nahesteht. Aber diese Zeitung wäre längst tot, wenn die rot-grüne Regierung sie nicht als Propagandainstrument subventionieren und knapp am Leben erhielte. Und ist nicht Frankfurt die Heimat der gleichnamigen Eintracht, des vielleicht chaotischsten Fussballklubs in Deutschland, wo sie aus Angst vor einem Abstieg aus der Bundesliga nicht nur einmal so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann? (…) Achim Stocker und Finke werden wohl mehr Kraft aufbringen und gegen grössere Widerstände als bei der letzten Relegation ankämpfen müssen. Ihr sportliches Lebenswerk aber lassen sich die zwei gescheiten, manchmal auch sturen Köpfe nicht kaputtmachen von ein paar Dutzend, vielleicht ein paar Hundert badischer Schreihälse und einer Handvoll notorischer Besserwisser. Oder wie man in Freiburg sagt: Klugscheisser.“

Mitleid statt Schadenfreude, Tristesse auf teurem Niveau

Philipp Selldorf (SZ 7.12.) erwartet ein schlechtes Ende für Borussia Dortmund: „Der Klub hat einen Niedergang angetreten, der noch längst nicht sein Ende erreicht hat. Immerhin scheint er an seinem vorläufig traurigsten Punkt angelangt zu sein – mittlerweile blickt der Rest der Welt nicht mehr mit stiller Schadenfreude, sondern mit Mitleid auf das gescheiterte Unternehmen. Es ist schon bedauerlich zu sehen, wie sich das Schicksal der zweiten deutschen Fußballgroßmacht gewendet hat (…) Nach einem halben Jahr Arbeit beim BVB hat sich Bert van Marwijk der Tristesse auf teurem Niveau angepasst.“

Die alte Rivalität ist bloß noch Folklore

Richard Leipold (FAS 5.12.) bedauert die Dortmundisierung Schalkes und die Schalkisierung Dortmunds: “Die Vereine sind sich zu ähnlich geworden, als daß die Verantwortlichen einander glaubwürdig beschimpfen könnten. Beide Klubs sind hoch verschuldet und verpfänden alles, was sie haben. Und beide stehen in dem Ruf, ihre Bilanzen mit allerlei Tricks so zu gestalten, daß zumindest die DFL stillhält. Für böse Kommentare bleibt in so einer Schicksalsgemeinschaft wenig Gelegenheit. Borussia Dortmund und Schalke 04 halten den Mythos aufstrebender Arbeitervereine weiter in Ehren – den Fans zuliebe, in Zeiten wirtschaftlicher Wagnisse hüben wie drüben das verläßlichste Kapital. Als Klubs der Kumpel ins Leben gerufen, treten die Rivalen längst als „Player“ am Geldmarkt des Fußballs auf, ob an der Börse notiert wie der BVB oder als Kleinkonzern ohne Aktionäre wie Schalke 04. Im neokapitalistischen System Bundesliga spielen beide noch zweimal im Jahr gegeneinander, daran hat die neue Zeit nichts geändert. Aber aus Arbeitervereinen sind Unternehmen geworden, die sich dem Wachstum verschrieben haben und immense Risiken eingegangen sind. Die alte Rivalität ist bloß noch Folklore, Teil des Events, Mittel zur Vermarktung.“

Im Crashkurs durch die Welt des Profifußballs

„Erstaunlich schnell führte Ralf Rangnick den Traditionsclub in die Spitze. Noch erstaunlicher erscheint sein lockerer Umgang mit dem mächtigen Manager Rudi Assauer. Zur vereinstypischen Gefühlsduselei passt er besser als erwartet“, schreibt Jörg Kramer (Spiegel 6.12.): „Der Autodidakt Rangnick, im Jahr der letzten Schalker Meisterschaft (1958) geboren, hat immer schon schneller als andere gelernt. Der neugierige Beobachter, der es als Spieler nur in die Oberliga schaffte, führte einst als Trainer-Überflieger beim Zweitliga-Aufsteiger SSV Ulm Begriffe wie „ballorientierte Raumdeckung“ in den Wortschatz deutscher Fußballfans ein. Sein oberlehrerhaftes Gebaren legte er ab, nachdem ihm 1998 ein allzu dozierender ZDF-Auftritt an der Taktiktafel mehr Hohn als Respekt eingetragen hatte. Er habe „nicht mehr diesen missionarischen Eifer“, bekennt er. In Stuttgart regten ihn noch Vereinspartner auf, die Jungprofis in der Kabine Rabatte beim Autokauf anboten. Und als er im Trainingslager im österreichischen Schruns zur Überraschung heimlich die Spielerfrauen im Bus herbeikarren ließ, musste er erkennen: Die Profis, für den anberaumten freien Tag mehrheitlich schon anderweitig verabredet, waren gar nicht so begeistert. So flitzte der vom Boulevard als „Professor“ belächelte Novize im Crashkurs durch die Welt des Profifußballs. Heute will sich Rangnick nicht mehr in Scharmützeln aufreiben wie in Hannover mit dem Präsidenten Martin Kind. In Schalke weiß er immer, in welcher Sakkotasche der Anstecker des Sponsors liegt, den er sich ans Revers heftet, sobald er eine Kamera erblickt.“

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