Interview
Wir Spieler saugen seine Worte auf
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| Dienstag, 14. Dezember 2004Michael Ballack mit Lars Gartenschläger (WamS 12.12.)
WamS: 2004 neigt sich dem Ende zu, und es war für Sie sehr bewegt. Was ist hängengeblieben?
MB: Es war eine große Erfahrung für mich, in meinem zweiten Jahr bei den Bayern „nur“ Zweiter geworden zu sein. Dazu sind wir in der Champions League im Achtelfinale ausgeschieden. Da habe ich das erste Mal gespürt, wie gewisse Dinge ablaufen, wenn man in München nicht Erster wird und Schuldige gesucht werden. Die Art und Weise der Kritik, die es teilweise an meiner Person auch von Vereinsseite gab, hat mich enttäuscht. (…)
WamS: Jürgen Klinsmann hat binnen weniger Monate einen Stimmungswandel bewirkt, indem er unkonventionell an die Arbeit herangegangen ist, das Führungspersonal ausgetauscht, das Team verjüngt und verstärkt psychologisch gearbeitet hat. Gefällt Ihnen das?
MB: Die Lösung, ihn als Bundestrainer zu berufen, kam überraschend. Aber er hat in der Kürze der Zeit, die er im Amt ist, schon sehr viel bewegt. Sicherlich hat er Maßnahmen getroffen, die nicht immer auf Gegenliebe gestoßen sind. Aber er hat mit guten Argumenten seine Entscheidungen vertreten und ist deshalb sehr überzeugend. Er ist immer gut drauf und wirkt im Umgang mit uns Spielern sehr positiv. Ich habe in meiner bisherigen Karriere selten einen Trainer gehabt, der so unheimlich positiv eingestellt ist und Menschen so derart begnadet für eine Sache begeistern kann. Das ist genial. Er hat eine Gabe, die ihresgleichen sucht. Wir Spieler saugen seine Worte regelrecht auf. Was sogar den Effekt hat, daß wir nach Länderspielen zurück zu unseren Klubs kommen und unsere positive Einstellung dort weiter ausleben.
WamS: Inwieweit sehen Sie es in einer Zeit, in der viele Menschen in diesem Land zum Jammern neigen, auch als Auftrag an, mit dem Nationalteam Mut, Entschlossenheit und Risikofreude zu verkörpern?
MB: Viele Fans würden ihr letztes Hemd dafür geben, um ein Fußballspiel von uns live erleben zu dürfen. Ich denke, wenn wir den Menschen etwas zurückgeben und sie ihre Nationalmannschaft siegen sehen, gehen sie vielleicht etwas positiver an bestimmte Dinge heran, haben mehr Freude an der Arbeit oder haben auch nur ein gutes Gefühl.
Die Winterpause ist ein unschätzbarer Vorteil
Wilfried Kindermann, ehemaliger DFB-Arzt, mit Frank Hellmann (FR 13.12.)
FR: Sollte mit den Nationalspielern in dieser Spielzeit vor der WM schonender umgegangen werden?
WK: Wir sollten uns glücklich schätzen, dass wir in Deutschland eine Winterpause haben. Sie ist ideal, um nach einer Regenerationsphase über Weihnachten und Neujahr die Kondition wieder aufzubauen und Blessuren auszuheilen. Die Winterpause bedeutet damit sowohl Leistungsoptimierung als auch Gesundheitsvorsorge. Das ist ein unschätzbarer Vorteil. Als Arzt muss ich dringend vor der Abschaffung warnen.
FR: Ist die Zahl der Wettbewerbe weiterhin zu hoch? Treiben die Nationalspieler Raubbau mit ihrem Körper?
WK: Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen, dass die letzten zehn Wochen einer Saison eine kritische Phase darstellen. Spieler, die bei der WM 2002 und der EM 2004 überdurchschnittliche Leistungen zeigten, hatten in den letzten zehn Wochen dieser Spielzeit weniger Spiele bestritten als Spieler mit unterdurchschnittlichen Leistungen. Das bedeutet, dass ein dichter Spielplan am Ende der Saison zu Übermüdung mit Leistungsabfall führen kann. Die Konsequenz daraus könnte lauten, dass Nationalspieler idealerweise gegen Ende der Saison nur einmal pro Woche spielen sollten. Aber grau ist alle Theorie, wenn Nationalspieler in den europäischen Club-Wettbewerben weit kommen.