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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Normale Zustände

Oliver Fritsch | Dienstag, 8. Februar 2005 Kommentare deaktiviert für Normale Zustände

Wieder Normalität – Roland Zorn (FAZ 7.2.) ist erleichtert: „Die Schreckensstarre ist gewichen: Es darf wieder über die Schiedsrichter gemeckert werden. Der dritte Rückrundenspieltag der Bundesliga wurde anders als seine beiden Vorgänger nicht mehr vom Wettskandal überschattet. Der ganz normale Alltag ist in die Arenen zurückgekehrt – und mit ihm der gewöhnliche Ärger über einen falschen Pfiff (…) Es ist wünschenswert, wenn auf der Spielwiese Bundesliga so rasch wie möglich wieder normale Zustände zwischen Jubel und Empörung, begeisterter Zustimmung und grenzenlosem Unverständnis herrschen. Am zwanzigsten Spieltag ist ein Neuanfang gemacht worden, der gerade deshalb tröstlich stimmt, weil aufs neue die unverdächtige Fehlbarkeit der Schiedsrichter sichtbar wurde. Irren ist menschlich, dieser Grundsatz gilt weiter – auch für leidgeprüfte Referees.“

Selbst schuld ist der, der sich dem Dialog verweigert

Sprich mit mir!, fordert Klaus Hoeltzenbein (SZ 8.2.): „Der 20. Spieltag war kein durchweg positiver für die Sorgenkinder der Nation. Was damit zu tun hat, dass von den tausend Pfiffen, die getätigt wurden, zwei zu wilden Diskussionen führten. Und dass einer, der Pfiff des Tages, gar ohne jede Erklärung blieb. Michael Weiner, der Polizeiwachtmeister, der ihn tätigte, hat das Münchner Olympiastadion lautlos verlassen. Zu sehen war, wie er den Rücken kehrt und geht, als plage ihn etwas. Eskortiert wurde Weiner von Manfred Amerell, Mitglied im Schiedsrichter-Ausschuss des DFB, und es ist zu vermuten, dass dieser ihn beraten hat. Doch Flucht war die falsche Idee, sie erhärtet nur den Verdacht auf Charakterschwäche, der seine Zunft in der Wett- und Manipulationsaffäre belastet. Weiner hätte nur zugeben müssen, er habe sich geirrt. (…) Jeder, der sich derzeit bei Passiv/Aktiv-Abseits vertut, wird freigesprochen. Wer eine Andy-Möller-Schwalbe nicht identifiziert oder ein Wembley-Tor anerkennt, dem droht gnadenlos Vergebung. Selbst schuld ist der, der sich dem Dialog verweigert. Denn nie war der Wunsch größer, einen Schiri zu knuddeln.“

Da entdeckt einer plötzlich seine Liebe zum Arbeitgeber wieder

Claus Dieterle (FAZ 7.2.) beschreibt befremdet Timo Hildebrands Pressekonferenz zu seiner Vertragsverlängerung: „Der sonst so smarte Hildebrand schien nach der Unterschrift von einer unerklärlichen Formulierungsschwäche befallen. Jedenfalls hielt er sich lieber an Gedrucktem fest. Die kleine, bisweilen holprige Vorlesung in eigener Sache, die nicht unbedingt authentisch wirkte, ließ selbst Hildebrand-Anhänger ratlos zurück. Da entdeckt einer plötzlich seine Liebe zum Arbeitgeber wieder, mit dem er eigentlich schon abgeschlossen hatte. Und jetzt entschuldigt sich der Torwart bei den Fans, daß alles so lange gedauert habe und behauptet, daß er ja nie gesagt habe, „daß ich den VfB verlassen will“. Die Verlängerung sei keine Frage des Geldes gewesen, sondern ein persönlicher Konflikt: Zwischen seinem Verstand, der ihm geraten habe, schon jetzt zu einem europäischen Spitzenklub zu wechseln, und seinem Herz, das dem VfB gehöre. Schließlich habe das Herz gesiegt. Eine Erkenntnis, die reichlich spät kommt und, vom Blatt abgelesen, die emotionale Tiefe der Torwartworte treffend wiedergab. Vielleicht steckte dahinter aber auch nur die Einsicht, daß die europäischen Topklubs nicht gerade Schlange gestanden haben bei der Nummer drei im Tor der deutschen Nationalmannschaft. (…) Sprach’s und verschwand. Bitte keine Fragen! Weil Antworten nicht auf dem Zettel stehen?“

Oliver Trust (SZ 7.2.) ergänzt: “Was ans Ohr drang, klang wie die Mischung aus einer vom Anwalt gestylten Gegendarstellung und Drehbüchern anheimelnder Serien des Vorabendprogramms. (…) Dann rauschte der Mann davon, der vor Tagen noch einen bis 2010 datierten Vertrag mit 1,8 Millionen Euro Jahresgehalt abgelehnt hatte. Ohne Fragen zu beantworten. Nicht die, warum sein verdienstvoller Berater Bukovac nicht mehr mit am Tisch sitzen durfte. Nicht die, warum er erst durch ein Feuerwerk an Ultimaten zur Raison gebracht werden musste. Später wird kolportiert, sein beratender Freundeskreis habe Hildebrand mühsam davon abbringen können, auszupacken und die VfB-Manager bloß zu stellen.“

Konzentriert und auf das Wesentliche fixiert

Roland Zorn (FAZ 7.2.) hat schon bessere Spiele gesehen als das 2:0 Bayern Münchens gegen Bayer Leverkusen: „Der Tabellenführer tat, was er mußte, und fand dazu in Schiedsrichter Michael Weiner einen – man muß es heutzutage hervorheben – unfreiwilligen Helfer; der Möchtegern-Verfolger unterließ, was nötig gewesen wäre, um den Münchnern näher zu kommen. (…) Was nach dem guten Start beider Mannschaften in die Rückrunde ein Spitzenspiel hätte werden können, ließ kaum Raum für Kreativität und Phantasie. (…) Erst wenn am 22. Februar die schweren englischen Wochen, eingeläutet durch die Begegnung mit dem FC Arsenal, anheben, dürfen sich die Ligarivalen wieder leise Hoffnungen machen, erschöpften Münchnern hier und da ein paar Pünktchen abzujagen. Derzeit aber präsentiert sich der FC Bayern vital, konzentriert und auf das Wesentliche – die Mission Meisterschaft – fixiert.“

Illusion eines Fouls

Andreas Burkert (SZ 7.2.) gähnt: “Die Illusion eines Fouls hatte ein trostloses Fußballspiel entschieden, dessen größte Aufregung ansonsten jener Befreiungsschlag von Robert Kovac war, der in der Ehrenloge unter Angstschreien knapp vor der Reihe des Ministerpräsidenten endete. Irgendwie hatten die Leverkusener das schiedsrichterliche Versagen aber verdient, denn in der reichen Sammlung ihrer hasenfüßigen Auftritte im Olympiastadion wird der jüngste zweifelsfrei einen besonderen Platz finden.“

Meinung zu lenken ist ein Geschäftszweig, auf den sich der FC Bayern vortrefflich versteht

Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 7.2.) traut seinen Ohren nicht: „Ein dick wattierter Mantel im beigefarbenen Glencheckmuster schützte Karl-Heinz Rummenigge vor der Kälte. Der ausgewiesene Liebhaber britischer Garderobe, dem die Mannschaft zu seinem 40. Geburtstag vor knapp zehn Jahren einen englischen Schuhputzkoffer geschenkt hatte, sah darin aus wie ein echter Landadliger. Doch ein einziger Satz erschütterte das Bild, das man sich von solch ehrbaren, aufrichtigen Exzellenzen macht: „In der zweiten Halbzeit haben wir unsere beste Saisonleistung gezeigt.“ Es war ein kitzelnder Moment, in dem sich die Gedanken überschlugen: Sollte das ein Witz sein? War da nicht ein hintersinnig-ironisches Lächeln? Oder meinte Rummenigge das etwa im Ernst? Der Vorstandschef war wohl wirklich überzeugt von dem, was er gerade gesagt hatte. Zumindest tat er so. Womit auch der FC Bayern ab sofort seine Manipulationsaffäre hat. Doch Entwarnung allenthalben: Es ist kein Fall für den Staatsanwalt. Der Vorstandschef wollte ja keinesfalls das Spielergebnis manipulieren, das heißt beeinflussen. Sondern allein die Bewertung durch die Medienschaffenden. Deren Meinung zu lenken ist ein Geschäftszweig, auf den sich der FC Bayern vortrefflich versteht.“

Luftblasen

Eine neue, alte Situation in Wolfsburg – Jörg Marwedel (SZ 8.2.): „Sechs Niederlagen in sieben Spielen haben das Team vom ersten auf den neunten Tabellenplatz stürzen lassen, dorthin, wo der VfL nie mehr sein wollte. Die Ambitionen des neuen Sportdirektors Thomas Strunz, der den Profis die Bayern-Mentalität einreden wollte, wirken plötzlich wie Luftblasen. Strunz ist jetzt nicht mehr Prediger des Erfolgs, sondern Krisenmanager.“

NieMeyer raus!

Freddie Röckenhaus (SZ 7.2.) schildert den Protest der Dortmunder Fans: „Die Anhängerschaft von Borussia Dortmund hat offenbar endgültig die Nase voll von den langjährigen Geschäftsführern des Klubs, Gerd Niebaum und Michael Meier. Rund tausend BVB-Anhänger zogen in Hannover in einem Demonstrationszug vom Bahnhof zum Stadion und skandierten dabei unter anderem immer wieder „NieMeyer raus!“ Auslösender Punkt war für die BVB-Fans, die seit Monaten eine Serie von immer neuen Enthüllungen über ihren Klub ertragen müssen, der vergangene Woche öffentlich gewordene Vertrag mit dem Gerling-Konzern. Darin hatte Manager Michael Meier dem Versicherungskonzern unter anderem alle wichtigen Markenrechte rund um den Vereinsnamen Borussia Dortmund und das Vereinsemblem sicherheitsverpfändet. „Uns ist damit der letzte Stolz genommen worden“, klagt Reinhard Beck, Vorsitzender der neu gegründeten Fan-Abteilung im BVB. „Unsere Leidensfähigkeit ist erschöpft. Wir werden dokumentieren, dass die Situation nicht mehr tragbar ist.“ In Hannover haben die Fans des sechsmaligen Deutschen Meisters ihren Protest unter das Motto „Not for sale“ gestellt, zu deutsch: „Nicht zu verkaufen.“ In Anlehnung an die Fans von Manchester United, die mit dem gleichen Slogan gegen den Komplettverkauf ihres Klubs protestiert hatten.“

Symbol für den sportlichen Niedergang der Schwarz-Gelben

Was bedeuten die zwei Tore Lars Rickens, Jörg Marwedel (SZ 7.2.)? „Rickens Geschichte ist eine typische Borussia-Geschichte. Kaum ein Spieler eignete sich besser als Symbol für den sportlichen Niedergang der Schwarz-Gelben als jener Mann, der schon mit 17 Jahren als Wunderknabe in der Bundesliga debütierte und als 20-Jähriger mit einem Tor im Finale gegen Juventus Turin 1997 maßgeblich zum Gewinn der Champions League beitrug: Gesättigt von historischen Triumphen und fürstlichen Gehältern, die allein übrig geblieben sind aus der Zeit des Dortmunder Größenwahns – anscheinend nicht bereit, für einen Neubeginn die Ärmel richtig aufzukrempeln, deshalb zeitweise gar ins Regionalliga-Team degradiert. Und als der mittlerweile 28-Jährige unlängst ein Angebot der Glasgow Rangers ausschlug, wurde ihm auch das als Bequemlichkeit ausgelegt und nicht als Treue. Vielleicht wird Lars Ricken jetzt wieder zu einem Symbol, diesmal für die zumindest sportliche Auferstehung der wirtschaftlich ums Überleben bangenden Borussia.“

So hatten sie sich das vorgestellt in Mönchengladbach

Ulrich Hartmann (SZ 8.2.) befasst sich mit dem guten Rückrundenstart Borussia Mönchengladbachs: „Tatsächlich steht seit Jahresbeginn eine andere Gladbacher Mannschaft auf dem Feld. Fünf der im Winter verpflichteten Neuzugänge befanden sich gegen Freiburg in der Startformation. Das Tor hütete der US-Amerikaner Kasey Keller zwar nur mit leidlichem Erfolg, der Australier Craig Moore hingegen stabilisierte zuverlässig die Innenverteidigung, der Belgier Bernd Thijs räumte vor der Abwehrkette auf, Jörg Böhme tobte sich halblinks aus, und der Belgier Wesley Sonck spielte einen Rechtsaußen mit Drang zum Tor. So hatten sie sich das vorgestellt in Mönchengladbach.“

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