Interview
Der Trainer muß die Spieler zu seinen Verbündeten machen
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| Dienstag, 8. Februar 2005Aimé Jacquet mit Michael Ashelm und Christoph Ehrhardt (FAS 6.2.)
FAS: Welches Bild haben Sie vom deutschen Fußball?
AJ: Er ist für mich immer ein Musterbeispiel für Gradlinigkeit, Härte und hohe Professionalität gewesen.
FAS: Auch heute – und dann noch mit diesem aktuellen Skandal?
AJ: Auf jeden Fall. Der Skandal überrascht mich natürlich, aber man kann deshalb nicht den ganzen deutschen Fußball verdammen. Es geht hier um einige schwarze Schafe.
FAS: Und was halten Sie von Jürgen Klinsmann?
AJ: Ich kenne ihn gut. Wir haben schon oft miteinander geredet. Jürgen Klinsmann hat eine professionelle Einstellung – und das ist sehr wichtig.
FAS: Was heißt professionell für einen Trainer?
AJ: Der Trainer ist der wichtigste Mann im Fußball. Er ist der Projektleiter, der alle Talente und Fähigkeit zusammenbringt. Er hat den Plan und ist die Leitfigur für die Mannschaft.
FAS: Ausgerechnet in seinem ersten Trainerjob will Klinsmann nun die Grundlage schaffen, Deutschland endlich wieder zum Weltmeister zu machen.
AJ: Das wird eine schwierige Aufgabe für ihn. Seine einzigen Referenzen stammen aus der Zeit als sehr guter Spieler. Das wird in schwierigen Momenten nicht immer ausreichen. Doch ich glaube, er hat gute Leute um sich versammelt und ist intelligent genug für diesen Job. Vor allem muß er eine gute Kommunikation mit allen Vereinstrainern pflegen und von den Klubs und Beteiligten akzeptiert werden.
FAS: Glauben Sie, Klinsmann reicht die Zeit, einen Weltmeister aufzubauen?
AJ: Das wird sehr schwer werden. Im Moment würde ich nein sagen, aber vielleicht sehe ich das in einem Jahr anders. Ich hatte vier Jahre Zeit zur Vorbereitung mit meiner Mannschaft, er nicht mal zwei. Natürlich könnte es auch gelingen. (…)
FAS: Welches Prinzip war Ihr wichtigstes auf dem Weg zur WM?
AJ: Was ich jetzt sage, klingt wie eine Binsenweisheit. Es ist aber sehr bedeutsam. Man muß wachsame Augen haben und für das Team die besten Kräfte herausfiltern. Die Entwicklung im Fußball geht so schnell voran, daß man die besten Spieler für die Nationalmannschaft in ihrer Entwicklung permanent verfolgen muß.
FAS: Das größte Problem im modernen Fußball ist doch die Motivation der Spieler.
AJ: Deshalb muß der Trainer die Spieler zu seinen Verbündeten machen. Sonst kann er keinen Kampfgeist und Siegeswillen von ihnen erwarten. Er muß ein Klima schaffen, in dem die Spieler Lust haben, zusammenzuspielen – für das höchste Ziel in der Fußballwelt. Um die Motivation nicht zu verlieren, braucht es permanente Veränderungen bis zum letzten Moment. Jeder muß wissen, daß er nicht unersetzlich ist, aber auch ein Wörtchen mitreden darf. Jeder in der Mannschaft hat die Möglichkeit, an diesem schönen Abenteuer teilzunehmen. Das ist die Botschaft.