Ball und Buchstabe
Lahme Ente, Lagerdenken, Partikularinteresse
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| Dienstag, 8. Februar 2005Michael Horeni (FAZ/Politik 7.2.) schreibt über die Wirkung des Wettskandals auf das Ansehen Gerhard Mayer-Vorfelders und das Machtverhältnis im deutschen Fußball: „Nach den Erfahrungen im aktuellen Krisenfall scheinen innerhalb des DFB die Zweifel an einer Tragfähigkeit dieser noch vor wenigen Monaten intern hochgepriesenen Kompromißlösung zu wachsen. Es wird mittlerweile innerhalb des DFB erkennbar einsam um den 71 Jahre alten ehemaligen Finanzminister Baden-Württembergs, dessen frühere Vitalität und Spannkraft auch wohlmeinende Kollegen immer mehr vermissen. Mayer-Vorfelder, dessen Amtszeit nach der WM 2006 endet, gerät zusehends in die Rolle der „lahmen Ente“. In manchen Medien kursieren schon Berichte, wonach ein innerer Zirkel plane, Mayer-Vorfelder zu stürzen. Theo Zwanziger nutzt die Gunst der Krisenstunde, um an Profil zu gewinnen. Die Strategie verfängt. Mayer-Vorfelder, in dessen politische Verantwortung das Kommunikationsdesaster fiel, haftet nun allein das Etikett des Bremsers und Blockierers an. Zwanziger trieb als neuer Verantwortlicher die Aufarbeitung des Skandals in den vergangenen zwei Wochen entschieden voran., was dem DFB und dem Geschäftsführenden Präsidenten Anerkennung einbrachte. (…) Das Motto des DFB-Bundestags lautete: „Kräfte bündeln für 2006“. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit fällt dem deutschen Fußball jedoch schwerer als gedacht. Die für den Profifußball verantwortliche DFL, durch einen Grundlagenvertrag mit dem DFB verbunden, hat in dem Skandal keine eigenständige Position beziehen können. Das Partikularinteresse der einzelnen Bundesligavereine ist immer noch übermächtig, ebenso das Lagerdenken zwischen Profi- und Amateurfußball. Der Wettskandal erweckte, obwohl zahlreiche Profivereine betroffen sind, bisher der Eindruck, als betreffe er nur den DFB, nicht aber die DFL. Der als eigenständige Interessenvertretung gegründete Ligaverband verschwand in der jüngsten Krise vollständig im Schatten des großen Verbands. (…) Das Organisationskomitee der WM, organisatorisch und personell eng mit dem DFB verflochten, blieb im Fußballskandal auffällig stumm.“
Die MV-Attacke kehrt sich zum Eigentor
Thomas Kistner & Klaus Ott (SZ 8.2.) kontern die Kritik Mayer-Vorfelders an Oddset: „Mit Hurra führt der DFB die neue Attacke, doch wird der erhoffte Befreiungsschlag gleich zum Bumerang. Aktenzeichen gibt es, wenn der Staatsanwalt ermittelt – aber davon hat Oddset ebenso niemals gesprochen wie von Anzeigen in Sachen Hoyzer. Es hieß nur immer, man habe im August 2004 die Kripo unterrichtet. Wie MV oder andere Juristen beim DFB nun darauf kommen, aus einer „Information“ an die Kripo müsse ein Aktenzeichen erwachsen, bleibt schleierhaft. Zumal sich die Kripo mit der Sache kaum befasst hatte, wie der DFB nur vier Wochen später erfuhr. So kehrt sich die MV-Attacke zum Eigentor: Um so mehr stellt sich die Frage, warum der DFB damals untätig geblieben ist. Oddset hatte dem Verband klare Betrugshinweise geliefert und den Begriff „Manipulation“ nur auf Wunsch des DFB in seinem Benachrichtigungsschreiben vom 23. August nicht verwendet. Stattdessen hieß es „Unregelmäßigkeiten“ – Wortklauberei. Im Kampf um sein Amt schießt sich MV nun auf einen der wichtigsten Partner des Fußballs ein.“
Die Doppelspitze des DFB scheint nicht über die nötige Schlagkraft zu verfügen
Auch Michael Ashelm & Thomas Klemm (FAS 6.2.) bezweifeln die Effizienz der zweifachen Präsidentschaft: „Ist der deutsche Fußball mit seinen führenden Organisationen den heutigen Gegebenheiten überhaupt noch gewachsen? Als träges, recht unbewegliches Schlachtschiff erscheint der über allem thronende DFB, wenn die See mal rauher wird oder sich plötzlich Hindernisse in den Weg stellen. Die Topfunktionäre des Verbandes wirkten tagelang wie Getriebene, die durch neue Enthüllungen immer stärker unter Druck gerieten. (…) Kompetenzgerangel, langsame Entscheidungswege, Reibungsverluste zwischen Ehrenamt und Hauptamt sowie ein wenig effektiver Kommunikationsfluß mit der partnerschaftlich verbundenen DFL führen immer wieder zu neuen Fragen und einer schwachen Außendarstellung. Während der Hoyzer-Affäre tauchen diese Defizite aufs neue wieder auf. (…) Die Doppelspitze des DFB scheint in schwierigen Situationen nicht über die nötige Schlagkraft zu verfügen.“
Es braucht nicht viel, um den deutschen Profi-Fußball zu überlisten
Der Spiegel (5.2.) interpretiert Hoyzer: „Das Geständnis, das Robert Hoyzer ablegte, ist mehr als das persönliche Drama eines jungen Mannes. Es zeigt, wie Blauäugigkeit, falsche Kameraderie und Gier selbst in einen Lebensbereich vorgedrungen sind, auf den Deutschland so stolz war wie auf den Mercedes-Stern und die Deutsche Bundesbank. (…) Eine der wenigen Wahrheiten, so viel scheint in den Wirbeln immer neuer Enthüllungen, Dementis und Vernebelungstaktiken gewiss, ist die schlichte Tatsache, dass es nicht viel braucht, um den deutschen Profi-Fußball mit all seinen Instanzen, Gremien und Kontrollmechanismen zu überlisten. Dass ein paar risikosüchtige Fußballzocker ausreichen, um das System an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen: der Verführbarkeit von Schiedsrichtern. (…) Dass ein Spiel so simpel zu verpfeifen ist, hat etwas mit dem ausgeglichenen Niveau der heutigen Profi-Mannschaften zu tun. Über Sieg oder Niederlage entscheiden oft die von den Trainern so gern bemühten „Kleinigkeiten“. Das kann ein kleiner Stellungsfehler des Verteidigers sein oder das falsche Abseits-Urteil eines Schiedsrichter-Assistenten. Es gibt heutzutage mehr Ermessensentscheidungen denn je. Seit die Dreier- oder Viererketten von Verteidigern geschlossen vorrücken oder zurückweichen, häufen sich die Grenzsituationen, die mit bloßem Auge kaum noch zu beurteilen sind. Gelegenheiten, den Spielausgang zu beeinflussen, gibt es mindestens so reichlich wie unübersichtliche Strafraumsituationen, das Repertoire der Profis an Tricks und Täuschungsmanövern ist inzwischen immens.“
Unverbrüchliche Liebe
Warum sind die Fans von all dem Skandal unbeeindruckt, Wolfgang Hettfleisch (FR 7.2.)? „Die Menschen sind ballfixiert, finster entschlossen, sich ihren Spaß am Spiel durch nichts und niemand verderben zu lassen. Woran sollen sie sich sonst erfreuen im Land der fünf Millionen Arbeitslosen? Niemand kann den Leuten diese Haltung ernstlich übel nehmen. Doch sie birgt Gefahr. Die Branche hat es eilig, zur Tagesordnung zurückzukehren, will klein reden und rasch vergessen machen, dass gegen Geld Punkte und Tore zu haben waren. Die unverbrüchliche Liebe, in der Millionen hierzulande diesem Sport verbunden sind, wird ihnen die Arbeit leichter machen.“
Schlechter Stil
Thomas Kilchenstein (FR 8.2.) findet zwei weitere Verlierer: „Das ist ganz schlechter Stil. Aber die Gelegenheit schien dem Schalke-Macho zu günstig, einem offenbar unliebsamen Schiri eine mitzugeben und auf einen ohnehin schon am Boden Liegenden noch einmal zu treten. Rudi Assauer ist da seinem Ruf als „Kashmere-Hooligan“ (Uli Hoeneß) gerecht geworden, auf dem Feld hätte es die Rote Karte gegeben. Die hat sich auch Klaus Toppmöller verdient, der sich landauf, landab als das größte Opferlamm der Republik geriert und gegen alle und jeden Schadenersatzklagen einzureichen ankündigt. Die Meisterschaft sei ihm verwehrt worden, sein Job in Hamburg deshalb gestrichen, barmte der Mann. Wahrscheinlich wäre Toppmöller schon längst Bundestrainer geworden ohne den Bundesliga-Skandal.“