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Ball und Buchstabe

Was ist das für eine Verkehrung der Rollen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 10. Februar 2005 Kommentare deaktiviert für Was ist das für eine Verkehrung der Rollen

Hoyzer bei Kerner, wie nichtssagend und langweilig. Doch hier drei sehr lesenswerte Rezensionen:

Evi Simeoni (FAZ 10.2.): “Willkommen im Reich der Prominenten, Herr Hoyzer, Sie wackerer Bekenner. Natürlich nicht gerade in der Spitzenklasse, wo sich – hoffentlich und soweit bekannt – nur honorige Menschen bewegen sollten. Aber genaugenommen ist der deutsche Schiedsrichter mit den schmutzigen Händen seit seinem Fernsehauftritt trotzdem aufgestiegen: aus der Regionalliga und der zweiten Liga des Fußballs, wo er vorwiegend mit der mißbrauchten Pfeife sein Unwesen getrieben hat, in die Bundesliga der Allzweck-Gesichter. Wahrscheinlich werden wir ihn demnächst noch häufiger wiedersehen: etwa beim Lederhosen- oder Kettenhemdentragen, beim Käferverzehren oder lustigen Hinfallen in der Loipe. (…) Was ist das für eine Verkehrung der Rollen, die einen Betrüger zum Prominenten werden läßt, der einem Fernsehmoderator zu einer Topquote verhilft; die ihn, der nichts anderes wollte als mit wenig Arbeit viel Geld verdienen und dann den tollen Kerl spielen, nun an die Spitze der Aufklärer katapultiert hat, an dessen Lippen gemeinsam mit Kerner die Boulevard-Medien hängen?“

Mischung aus öffentlichem Beichtstuhl und stalinistischem Schauprozess

Axel Kintzinger (FTD 10.2.): „Hoyzer bei Kerner, das war eine Mischung aus öffentlichem Beichtstuhl und stalinistischem Schauprozess. Es hat Kerner nicht ausgereicht, dass der Skandal-Schiedsrichter dreimal, viermal, fünfmal gestand und erklärte, ihm tue die Sache unendlich Leid und er schäme sich sehr. Er musste es wieder und wieder sagen. Glaubwürdiger wurde der 25-Jährige dadurch nicht, aber diese Prozedur löste den vielleicht schlimmsten Nebeneffekt dieses Dumpfbacken-Duetts aus: Mitleid mit Hoyzer. Diesen Kollateralschaden hätte man sich gerne erspart.“

Hohle Debatte mit hohem Instant-Empörungsgehalt

Michael Hanfeld (FAZ/Feuilleton 10.2.): „Vor diesem Gespräch ist vorab gewarnt worden wie vor kaum einem zweiten. Fast konnte man meinen, da fache ein besonders gewiefter Spin-Doctor eine hohle Debatte mit hohem Instant-Empörungsgehalt an – darin ist die deutsche Presse ziemlich gut –, die in dem Augenblick verpufft und ihre Schuldigkeit getan hat, in dem die Studiolichter angehen. Von einer Gefahr für die Demokratie war zu lesen. So als ob der Moderator des ZDF gleich mit in den Knast gehöre – was für ein Unsinn! Was für eine Verkennung journalistischer Gepflogenheiten. Welche Heuchelei angesichts der ganz alltäglich-unzimperlichen Rauferei um die beste Story, den aufregendsten Gesprächspartner, die nächste Agenturmeldung und den ganz großen „Scoop“. Und was für eine Nebelwerferei den Lesern und Zuschauern gegenüber. Nichts davon an diesem Abend: Und doch läßt sich über das halbstündige Gespräch nur ein hartes Urteil fällen, das härteste, das in dieser Programmkategorie zu vergeben ist: Es war unbedeutend, beinahe bar jeder neuen Information und vor allem – sterbenslangweilig.“

of: Welch eine Wohltat dagegen Harald Schmidt gestern! 30 Minuten beste Fußball-Unterhaltung: kein Wort über Kerner und Hoyzer, statt dessen eine Parodie der Jansen-Pressekonferenz – welch Brillanz, welch Feinsinn für das Relevante! Da meckere noch einer über mangelnde Qualität der Fußball-Berichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen. (Owomoyela und Asamoah kann man mal verwechseln, auch in der Zeitlupe, Steffen Simon.)

Skandal im Skandal

Wie geschlossen tritt der DFB in der Hoyzer-Krise auf, Christof Kneer (BLZ 10.2.)? „Horst R. Schmidt ist Generalsekretär beim DFB, aber er war immer viel mehr als das. Er ist sozusagen der Gegenentwurf zu Gerhard Mayer-Vorfelder; kein Kameralicht, kein eitles Posieren, keine Skandale. Horst R. Schmidt ist so etwas wie die moralische Instanz in diesem eigenartigen Verband, er ist das gute Gewissen des deutschen Fußballs. Er ist der deutsche Tugendbold. Es ist eine neue Weiterung in diesem Skandalfall, dass nun Schmidts Name hineingerückt ist in die Schlagzeilen, und die Weiterung der Weiterung ist, dass der Name, wenn auch indirekt, von einem anderen DFB-Funktionär platziert worden ist. Vizepräsident Engelbert Nelle hat als Erster aus dem Inner Circle des Verbandes das Schlafverhalten des eigenen Verbandes kritisiert, nachdem der DFB zuvor seinerseits den staatlichen Wettanbieter Oddset des vorsätzlichen Schnarchens verdächtigt hatte. Ganz gleich, ob Nelles verbaler Ausritt tatsächlich in Richtung Horst R. Schmidt und Götz Eilers zielte oder ob er in Wahrheit Mayer-Vorfelder als dem politisch Verantwortlichen galt, jenem Mann, den Nelle schon im Spätsommer vehement bekämpfte – fest steht, dass das Kartell der Schläfer den eigenen Schlaf für Gesundheitsschlaf hielt. Ach, sie wollten doch nur Gutes tun mit ihrer Passivität, sie wollten gute Patrioten sein, und sie wollten keinesfalls diese WM beschädigen, die so etwas wie der Gründungszweck dieser Republik zu sein scheint. Die gemeinschaftliche Verschleppung der Verdachtsmomente ist der Skandal im Skandal.“

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