Ascheplatz
Folgen der Hybris
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| Freitag, 18. Februar 2005Michael Horeni (FAZ 18.2.) fühlt sich um die Vorfreude auf die WM betrogen: “Eigentlich sollte in Deutschland längst Aufbruchstimmung vor der Weltmeisterschaft herrschen. Aber statt freudig die Tage bis zum Turnierbeginn zu zählen, werden im deutschen Fußball seit über einem halben Jahr nur noch Krisen und Skandale summiert. Die Existenznot des hochverschuldeten und nahezu zahlungsunfähigen ehemaligen Vorzeigeklubs Borussia Dortmund ist ein weiterer spektakulärer Höhepunkt eines sich stetig verdüsternden Gesamtbildes. Nachdem der Schiedsrichter- und Betrugsskandal in den vergangenen Tagen und Wochen die Glaubwürdigkeit das Sports im Kern beschädigte, werden nun die existenzbedrohenden Folgen der Hybris einer Vereinsführung sichtbar, die ebenfalls glaubte, für Geld alles kaufen zu können – sportlichen Erfolg des Vereins und damit auch persönliches Ansehen. Die verantwortungslose Geschäftspolitik von Gerd Niebaum und Michael Meier haben das einzige börsennotierte deutsche Fußball-Unternehmen an den Rand der Pleite geführt. (…) Die Dortmunder haben sich vor sieben Jahren den Gesetzen des Kapitalmarkts verschrieben. Der Markt wird nun auch das Urteil über einen großen Traditionsklub sprechen.“
Die Schwüre waren bloß eitles Geschwätz
Wolfgang Hettfleisch (FR 18.2.) kritisiert das lange Schweigen und Vertuschen der Borussia-Führung: „Im Ausblenden der Realität haben sie es beim BVB in den vergangenen Jahren zu bemerkenswerter Meisterschaft gebracht. Damit war es gestern vorbei. Michael Meier, Niebaums treuer Erfüllungsgehilfe, schenkte der Öffentlichkeit reinen Wein ein: Rien ne va plus. Das im Herbst mit großem Tamtam verkündete Sparprogramm? Ein Witz. Die Einnahmen aus der Kapitalerhöhung im September? Ratzfatz verbraten. Nein, Kapitän Niebaum und sein Erster Maat Meier haben den schlingernden schwarz-gelben Vergnügungsdampfer entgegen all ihrer Versprechungen nicht annähernd wieder auf Kurs gebracht. Die Schwüre waren bloß eitles Geschwätz, das noch die Kapitänsmesse füllte, als das Schiff längst auf Grund gelaufen war.“
Die FTD (18.2.) spekuliert über das NRW-Wahlkampfthema Borussia: „Dass Landesgelder fließen werden, ist kaum zu erwarten. In Zeiten von Hartz IV würde der von der Opposition genutzte Slogan „Staatsknete für Fußball-Millionarios“ bei den Wählern ganz schlecht ankommen. Und so versucht die Staatskanzlei, bei heimischen Konzernen wie der WestLB oder den großen Energieversorgern Geld locker zu machen. Natürlich bleibt es den Unternehmen unbenommen, Not leidenden Fußballklubs unter die Arme zu greifen. Aber jeder Borussia-Helfer aus der NRW-Wirtschaft muss sich bewusst sein, dass anschließend sehr genau geschaut wird, ob er im Gegenzug geschäftliche Unterstützung durch die Landesregierung erhält – weil er in den Ruch verdeckter Wahlkampfhilfe geriete.“
Maßgeblich ist die Bilanz
Auf Seite 1 der FAZ (17.2.) lesen wir: „Damit rücken gleichzeitig mit dem Schiedsrichterskandal die Schattenseiten des Millionenspiels Fußball ins grelle Flutlicht. Warum Sponsoren, Medien und letztlich die Zuschauer für das eigentlich doch so preiswerte Ballett von zweimal zweiundzwanzig Beinen immer aberwitzigere Summen bezahlen, gehört zu den Mysterien einer Unterhaltungskultur, die ihr Herz an diese unblutigen Gladiatorenkämpfe verloren hat. Die Tabellenführung wird dabei immer unabhängiger vom sportlichen Glück, beruht vielmehr auf langfristiger Vermarktung samt Gegenfinanzierung, wie der keineswegs zufällige Höhenflug von Dortmunds soliderem Nachbarn und Erzrivalen Schalke 04 beweist. Die heute todkranke Borussia wurde mit legendären Erfolgen in den sechziger Jahren, durch Spieler wie „Emma“ Emmerich und Sigi Held zum Symbol des Wirtschaftswunders. „Maßgeblich is‘ auf‘em Platz“ lautete damals im Revier das Motto ehrlich erkämpfter Siege. Das stimmt längst nicht mehr. Maßgeblich ist die Bilanz.“
SZ-Dossier zum Thema
Interview mit Florian Homm im manager-magazin
FR-Interview mit Analyst Peter-Thilo Hasler
Chronik des Dortmunder Absturzes, faz.net
Bildstrecke Borussias Niedergang, sueddeutsche.de
Über das dritte Übernahmeangebot Malcom Glazers an Manchester United heißt es von Gerd Zitzelsberger (SZ 18.2.): „Ob Glazer an der Übernahme, wenn sie ihm gelingt, Freude hat, steht auf einem anderen Blatt. Denn wenn beispielsweise die Fans Heimspiele boykottieren – solche Drohungen kursieren – geht die Rechnung des Milliardärs nicht auf. Auch Spieler und Manager der mittleren Ebene bedenken Glazer nicht mit freundlichen Worten. (…) Die Fans befürchten, dass Glazer die Übernahme kaum mit eigenem Geld bezahlen wird, sondern letztlich aus der Vereinskasse – indem er beispielsweise das Stadion beleiht oder Anleihen begibt, die mit künftigen Eintrittsgeldern abgesichert werden. Damit verschlechtert sich natürlich die Rentabilität des Klubs; es bleibt nicht nur weniger Geld für den Einkauf von Spielern, sondern Manchester United müsste versuchen, die Einnahmen zu erhöhen. Den einfachsten Dreh dafür bilden höhere Eintrittspreise. Zumal bei einem Klub, dessen Heimspiele regelmäßig ausverkauft sind.“