Interview
„Ich sehe die Glaubwürdigkeit von Hoyzer sehr in Frage gestellt“
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| Samstag, 19. Februar 2005Lutz-Michael Fröhlich mit Michael Reinsch (FAZ 19.2.)
FAZ: Sie sind Diplom-Kommunikationswirt. Haben DFB und Oddset ein Kommunikations-Desaster erlebt?
LMF: So würde ich es nicht nennen. Fußball ist der populärste Sport in Deutschland. Die Medien agieren aus sehr unterschiedlichen Interessenlagen. In diesem Spannungsfeld ist es für den DFB unheimlich schwer, die richtige Kommunikationsstrategie zu fahren, wenn es eine solche überhaupt geben kann. Allerdings: Die Aufklärungsdynamik, die nach der ersten Woche in den Fall kam, hat doch angenehm überrascht. Da der Fall zunächst so unvorstellbar war und in seinen Dimensionen jetzt so außergewöhnlich ist, konnten Fehler nicht ausbleiben. (…)
FAZ: Sie haben davon gesprochen, daß Hoyzer möglicherweise aus Rache andere Schiedsrichter belastet hat.
LMF: Ich persönlich habe den Begriff nicht gebraucht. Die Medienpräsentation von Robert Hoyzer – erst das öffentliche Dementi, zwei Tage später das Geständnis, alles medienwirksam aufgezogen, dann die Dämonisierung und der Hinweis auf Mafiastrukturen, das Hineinziehen von Schiedsrichterkollegen – das hat für mich den Geruch, daß sich da jemand in die Kronzeugenrolle begeben wollte und ein ganz wildes Szenario zeichnet. Durch das, was danach kam, sehe ich die Glaubwürdigkeit von Hoyzer sehr in Frage gestellt. Wenn er in der Öffentlichkeit behauptet, er sei geläutert und habe sich im Dezember aus allem zurückziehen wollen – warum spricht er dann im Januar zwei Schiedsrichterkollegen an? Das sind Ungereimtheiten, die man vielleicht weniger als Rache betrachten sollte als den Versuch, sich als „good guy“ darzustellen, wenn notwendig auf den Rücken anderer.
FAZ: Sie haben ausgerechnet die beiden spektakulärsten Auftritte – den bei Kerner und die anschließende Ausstellung der Figur Hoyzer auch wieder beim ZDF – nicht erwähnt. War das nur Geldverdienen?
LMF: Ich glaube nicht, daß das ZDF sich dazu hat instrumentalisieren lassen. Vielmehr geht es auch dort um die Quote. Wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann man Verständnis entwickeln. Mir mißfällt aber, daß dadurch ein bestimmtes Gedankengut in die Öffentlichkeit getragen wird: Man muß nur peinlich genug oder kriminell sein, um ein derart intensives öffentliches Forum zu erhalten. Da sehe ich die Gefahr der Verführung.
SZ-Interview mit Markus Merk