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Internationaler Fußball

Unsere Cousins, die in unserem Herzen wohnen

Oliver Fritsch | Dienstag, 1. März 2005 Kommentare deaktiviert für Unsere Cousins, die in unserem Herzen wohnen

1:0 siegt im der AC Mailand im Derby, doch der Vereinsbesitzer ist unzufrieden – Dirk Schümer (FAZ 1.3.) berichtet: „Silvio Berlusconi rügte mit saurer Miene seine Mannschaft: Es sei eine wenig unterhaltsame Partie gewesen, kaum Torschüsse, keine Leidenschaft; ein Unentschieden wäre gerechter gewesen. So versuchen normalerweise Verlierer, ein mißratenes Spiel schönzureden. (…) Die armen Inter-Fans seien „unsere Cousins, die in unserem Herzen wohnen“. War das Hohn für einen Rivalen, der es seit über einem Jahrzehnt nicht schafft, an Berlusconis Erfolgstruppe vorbeizuziehen? Wohl eher politisches Kalkül, denn auch die Interisti sind Wähler und gehören merkwürdigerweise eher zu Berlusconis rechtem Anhang als die Milanisti aus der linken Industriearbeiterschaft Norditaliens. Inters Präsident Massimo Moratti wird in diesem ewigen Zweikampf von den eigenen Anhängern als tragische Figur bemitleidet, weil der Ölmilliardär eine geschätzte halbe Milliarde Euro für immer neue Spieler spendierte und dafür mit keinem einzigen Titel belohnt wurde.“

Auf dem Platz sieht man nur eine Spitze, aber knapp darüber agiert die Dreieinigkeit

Sehr lesenswert! Birgit Schönau (SZ 1.3.) seziert Milans Befinden: „Berlusconi wurmt, dass sein Angestellter Ancelotti es wagt, eine „Weihnachtsbaum-Formation“ auf den Platz zu schicken, mit nur einer Spitze. Den eisigen Temperaturen vielleicht angepasst, aber nicht den Spektakel-Theorien des Großen Kommunikators. Einsnull gewinnen, Punkte kassieren und unter die Dusche, das kann Berlusconi nicht gefallen. Von wegen Weihnachtsbaum, Fußball soll die Wähler in Wallung bringen. Im Fernsehen sieht ein erbärmliches Einszunull auch nicht gut aus, und gerade am Sonntag hatte Berlusconis Kommunikationsminister Flugblätter in den Stadien verteilt, in denen von höchster Stelle für das Digitalfernsehen geworben wurde. Die Rechte für die Live-Übertragungen hält Mediaset, das Fernsehunternehmen im Besitz von Silvio Berlusconi. Ein Schuss, ein Treffer. Carlo Ancelotti, der Weihnachtsmann, vertraut auf noch höheren Beistand: Er trägt im Stadion einen Ring mit dem Wunderheiler Padre Pio, dessen Grab bis heute doppelt so viele Wallfahrer anzieht wie die Madonna von Lourdes. Kakà, der Torschütze, behauptete, ihm habe „Senhor Jesus“ auch diesmal geholfen. So ist das bei Milan, auf dem Platz sieht man nur eine Spitze, aber knapp darüber agiert die Dreieinigkeit.“

Wieder courant normal

Jean-Marie Lanoë (NZZ 1.3.) befasst sich mit dem erneuten Fall Paris St-Germains: „Im vergangenen Sommer schien es, als ob der Fluch, der seit Jahren über Fussball-Paris lag, auf einmal verschwunden wäre. Unter dem charismatischen bosnischen Trainer Vahid Halilhodzic schloss Paris St-Germain die Saison eher unerwartet im zweiten Schlussrang ab und empfahl sich damit auch direkt für das Rampenlicht der Champions League. Sechs Monate später ist gewissermassen wieder „courant normal“ eingekehrt. Die Pariser sind ihrem Ruf als unkontrollierbares und medial gnadenlos ausgeleuchtetes Ensemble von Einzelgängern gerecht geworden und stehen vor einem Scherbenhaufen: PSG ist in der Champions League klar gescheitert, liegt im Championat der Ligue 1 nur an zwölfter Stelle, hat Halilhodzic entlassen, kämpft abermals mit den Auswüchsen von Fanausschreitungen, hat deswegen ein Meisterschaftsspiel im leeren Parc des Princes absolvieren müssen und sieht sich auch noch behördlichen Ermittlungen ausgesetzt, durch einen suspekten TV-Rechte-Deal des PSG-Mehrheitsaktionärs Canal plus in Gang gesetzt worden sind.“

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