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Der Profifußball hat Nelson Valdez noch nicht zum seelischen Krüppel gemacht
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| Montag, 7. März 2005Wolfgang Hettfleisch (FR 7.3.) preist die Fairness des Bremer Stürmers: „Was den Auftritt von Nelson Haedo Valdez so besonders machte, war nur ein kleiner Hupfer. Mitte der zweiten Halbzeit läuft der junge Angreifer mit dem Ball am Fuß allein auf Oliver Kahn zu. Der Bayern-Keeper stürzt aus seinem Gehäuse und wirft sich Valdez in den Weg. Kahn kommt um den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um den Ball zu erwischen. Es ist die Gelegenheit für den 21-jährigen Stürmer: Er muss nur noch „einfädeln“ und Markus Merk kann nicht anders, als auf Elfmeter zu entscheiden. (…) Der Jungspund hat mit einem beherzten Sprung bewiesen, dass er dieses Spiel liebt wie unsereiner. Dass er lieber darauf spekuliert, den Ball noch irgendwie aus spitzem Winkel in die Maschen zu befördern, als mit dem Stürmer-Radar nach Gelegenheiten zum Strafraumsturz zu fahnden. Das mag nicht clever sein, aber es zeugt von jenem Geist, der auch unter Freizeitkickern herrscht. Der Profifußball hat Nelson Valdez noch nicht zum seelischen Krüppel gemacht.“
Rückkehr der leidenschaftlichen Mainzer Kampfkraft
Jürgen Klopp schreibt einen Brief – und erhält eine, nicht-schriftliche, Antwort; Michael Eder (FAZ 7.3.) beschreibt die außergewöhnliche Methode des Mainzer Trainers: „Klopp, die Lokomotive des Mainzer Fußballs, hat alle wieder unter Dampf gesetzt. Mitreißend und angriffslustig wie eh und je, hat er einen ellenlangen Brief an die Fans gerichtet, den sie in einem Seminar mal in Motivationskunde behandeln könnten. Klopp beendete die verbreitete und erfolgsgefährdende Mainzer Sicht der Dinge, auch ein Jahr in der ersten Liga sei für den Verein schon ein großes Erlebnis. „Wir sind nicht als Touristen in der Liga“, sagte Klopp und forderte von Spielern und Fans ein Ende der fatalistischen „You‘ll never walk alone“-Stimmung, dieser reizvollen Lust am gemeinsamen Untergang, die auch nach schweren Niederlagen noch überall in der Fastnachtshochburg zu spüren war. Die gute Laune, der vielbesungene Spaßfußball hatten für akute Lähmungserscheinungen gesorgt. Die Rückkehr der leidenschaftlichen Mainzer Kampfkraft der letzten Jahre war Klopps Verdienst. (…) Beim triumphalen 5:0 gegen den SC Freiburg herrschte im Stadion eine Stimmung wie noch nie am Bruchweg. Es war genau, was Klopp wollte: eine „englische“ Atmosphäre, die den eigenen Spielern keine Chance läßt, sich zu schonen, aufzugeben, auch nur einen einzigen Schritt weniger zu tun als möglich.“
Steuermann
Christof Kneer (BLZ 7.3.) widmet sich dem Spiel Ciriaco Sforzas: „Er hat es auf seine alten Tage zum seltsamsten Fußballer der ganzen Liga gebracht. Wenn man so will, hat er seine Karriere beendet, obwohl er weiterspielt. Er ist irgendwie kein richtiger Fußballer mehr, und doch ist er der wichtigste Spieler seiner Elf. Er läuft nicht mehr viel, er läuft nicht mehr schnell, Zweikämpfe erahnt er früh und geht ihnen aus dem Weg, selbst Beiträge fürs Offensivspiel streut er nur noch spärlich ein. Sforza ist einfach nur da, aber das ist wohl das Beste, was diesem 1. FC Kaiserslautern passieren kann. Es ist kein Zufall, dass dieser FCK plötzlich wieder das Siegen lernte, als Sforza im November nach 18-monatiger Verletzungspause zurückkehrte. (…) Er ist von militanter Unauffälligkeit, aber sein Einfluss reicht weit übers eigene Grün hinaus. Wie ein Spielertrainer tänzelt er durch sein kleines Reich, ruft, gestikuliert und schickt Mitspieler in Räume, von denen nur er sieht, dass sie sich gleich öffnen. Er ist der Steuermann, der Pressingorganisator.“
Rücksichtslos ausgepresst
Michael Ashelm (FAS 6.3.) leidet mit Andres d‘Alessandro: „d‘Alessandro ist ein typisches Beispiel dafür, wie schon junge, im Aufbau befindliche Spitzenkräfte heute im globalen Fußballgeschäft rücksichtslos ausgepreßt werden. Erst spielte er 2004 nach seiner ersten langen Saison in Europa mit der Nationalmannschaft den Südamerika-Cup. Dann ging’s mit der Nachwuchsauswahl zum olympischen Turnier von Athen, wo Argentinien Gold gewann und er wieder einmal zu den überragenden Akteuren zählte. Als ob das noch nicht genug gewesen wäre, bestellte ihn der Verband danach zurück in die Heimat zu zwei WM-Qualifikationsspielen, so daß d‘Alessandro erst wieder im September lange nach Saisonstart (und ohne gezielte Vorbereitung) zum VfL Wolfsburg stieß – und dort gleich wieder in der Bundesliga für Furore sorgen sollte. Diese hohe physische und psychische Belastung endete Monate später im Desaster. Zu hören ist außerdem, daß das 1,71 Meter große Fußball-Kid aus Buenos Aires bei den Wolfsburger Mannschaftskollegen keine ungeteilte Akzeptanz erfährt. Nicht alle Genies bringen ihr Talent zur vollen Entfaltung. Die Sache bleibt ein Glücksspiel.“