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Antistar und Sündenbock
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| Mittwoch, 9. März 2005Steffen Haffner (FAZ 9.3.) schließt eine Lücke der Berichterstattung: Er preist Carsten Ramelow, was man, wenn nicht mutig, so doch außergewöhnlich nennen muss: „Die schmucklose Art des Abräumers und der Anspielstation im Mittelfeld ist beim breiten Publikum und bei den Medien allenfalls für Fleißnoten gut. Im Urteil vieler Fachleute schneidet der lange Blonde dagegen besser ab. Nach Ottmar Hitzfelds Ansicht ist Ramelow „der am meisten unterschätzte Spieler der Bundesliga“. Eine Meinung, die Augenthaler teilt, der in ihm „einen für die Mannschaft enorm wertvollen Spieler sieht. Seine größte Stärke: Er opfert sich 90 Minuten lang für die Mannschaft auf.“ (…) Da sich der zurückhaltende Preuße auch gegenüber den Medien wie „defensives Mittelfeld“ verhielt, kam er in Länderspielberichten oft schlecht weg. Wenn Ramelow gut spielte, fiel das nicht weiter auf. Wenn speziell die Nationalmannschaft gegen Ende der Ära Völler, wie im Vorjahr bei der 1:5-Niederlage in Rumänien, schlecht aussah, wurde der einstige Hertha-Spieler rasch zum Sündenbock gestempelt. (…) In Leverkusen ist er ein Stabilisator. International gilt der Berliner eher als Symbol des überwundenen Sicherheitsfußballs. Doch eines wird dabei leicht übersehen: welch großes Verdienst der Antistar um den deutschen Fußball hat.“
Die ewig junge Ramelow-Debatte (mit dem wir nicht 5:1 gegen England verloren hätten)
Ein Unvollendeter
Andreas Lesch (BLZ 9.3.) über Arsene Wenger: „So zahlreich sind die Qualitäten, die Wenger in sich vereint. Er hat Arsenal in acht Jahren von Grund auf erneuert. Er hat die Spieler zu gesunder Ernährung erzogen und erfolgreich für bessere Trainingsplätze gekämpft. Er hat es seiner Mannschaft abgewöhnt, die Bälle hoch und weit nach vorn zu schlagen. Wenger hat die Premier League von heute entscheidend mitgeprägt, ihren Trend zum gepflegteren Spiel. Er hat die Hochbegabten in seinem Klub zu einer Einheit geformt und er hat ihnen beigebracht, ihr Ego zu zügeln. Am Dienstag hat sich Thierry Henry, der französische Ausnahmestürmer, brav vor die Presse gesetzt und gesagt: „Ohne Team bin ich nichts.“ Pause. „Nicht mal Maradona hat Spiele allein gewonnen – selbst wenn er die Hand zu Hilfe genommen hat.“ Das hören Engländer gern. Überhaupt, sie können kaum einen Makel finden an Wenger. Er arbeitet akribisch; er argumentiert, statt zu brüllen; er ist freundlich zu Journalisten. Er spricht fünf Sprachen, tritt auf wie ein vollendeter Gentleman, weiß, was er will. Nur: Ein großer internationaler Titel fehlt ihm noch. Er ist ein Unvollendeter, wie sein Klub, wie viele der Spieler, die er betreut. (…) Arsenal ist eine Art Gegenentwurf zum FC Bayern.“
Ich bin der glücklichste und der traurigste Mann der Welt
Raphael Honigstein (Tsp 9.3.) schildert Leiden und Heimweh José Antonio Reyes’: „Die Heizung ist rund um die Uhr auf 30 Grad eingestellt. Reyes verlässt die Wohnung nur noch zum Fußballspielen, denn in London, dieser unwirtlichen Stadt, möchte er sich so wenig wie möglich bewegen. Im Januar 2004 kam Reyes für 25 Millionen Euro vom FC Sevilla nach zum FC Arsenal nach London. „Ich bin der glücklichste und der traurigste Mann der Welt“, sagte der Spanier bei seiner Vorstellung. 14 Monate später gilt nur noch letzteres. Reyes hat keine Freunde in London. Wenn er nicht Playstation spielt, schaut er „Gran Hermano“, das spanische Big Brother. Früher hat er wenigstens ab und zu etwas mit seinen Mitspielern unternommen, doch das ist vorbei seit dem Freundschaftsspiel zwischen Spanien und England. Damals rief ihm der spanische Trainer Luis Aragones auf dem Trainingsplatz zu, er solle der „schwarzen Scheiße“ ausrichten, dass er besser sei. Gemeint war Reyes’ Vereinskamerad Thierry Henry. Die Affäre belastet nicht nur das Verhältnis der Sturmpartner bis heute. Mit dem Zusammenhalt und der Stimmung in Arsenals Mannschaft ist es seitdem nicht mehr weit her. Die Spieler fahren nach dem Training sofort wieder nach Hause, abseits des Platzes sieht man sich kaum noch. Reyes trägt keine persönliche Schuld für diese unterkühlte Atmosphäre, doch keiner leidet mehr darunter als er.“
Die SZ (9.3.) ergänzt: „Die Affäre belastet bis heute das Verhältnis der Sturmpartner und sie führte auch dazu, dass sich die Cliquenbildung bei Arsenal verschärfte. Während die Franzosen um Kapitän Patrick Vieira und Robert Pires zu Henry standen, fand der sensible Torjäger mit seiner Sicht der Dinge bei Lauren (Kamerun), Torwart Manuel Almunia (Spanien) und Edu (Brasilien) Verständnis. Die dritte Partei, der der deutsche Nationaltorwart Jens Lehmann dem Vernehmen nach exklusiv angehört, hielt sich neutral zurück.“
NZZ-Bericht Chelsea-Barcelona (4:2)
NZZ-Bericht Milan-ManU (1:0)