Ball und Buchstabe
Sucht nach Erfolg
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| Montag, 14. März 2005Christian Zaschke (SZ 14.3.) macht José Mourinho für den Rücktritt Anders Frisks mitverantwortlich: „Sicherlich ist es nicht Mourinho selbst gewesen, der Frisk und dessen Familie mit dem Tode bedroht hat. Aber es war Mourinho, der die Drohungen ausgelöst hat, indem er eine Hetzkampagne gegen Frisk anzettelte. (…) Mourinho steht als Symbolfigur für einen professionellen Fußball, dem in der Sucht nach Erfolg zunehmend jedes Mittel Recht ist.“
Jan Christian Müller (FR 14.3.) fordert härtere Strafen für maßlose Schiedsrichterkritiker: „Frisks Rücktritt sollte weitreichendere Folgen haben als die positiven für Frau und Kinder des großen Blonden. Unbewiesene und dumm-dreiste Verschwörungstheorien, wie sie sich der unerträglich arrogante Portugiese José Mourinho leistete, müssen künftig viel, viel härter bestraft werden als mit ein paar Tausend Euro; Spieler wie der Berliner Andreas Neuendorf, der jüngst aus Wut über eine krasse Fehlentscheidung eines Schiedsrichter-Assistenten sein Trikot zerriss und damit eine unsägliches Vorbild gab, gehören öffentlich ebenso erbarmungslos als Geiferer bloß gestellt wie Medienvertreter, die nach umstrittenen Entscheidungen zur Hetzjagd gegen Schiedsrichter aufrufen. Dann hätte Frisks Rücktritt nicht nur für ihn einen Sinn.“
Fußball-Interviews sind so überraschungsreich wie das Ticken der Uhr
Marc Schürmann (FTD 14.3.) wendet sich ab: „Man hätte doch Gelächter des Reporters hören müssen, als Ewald Lienen nach dem 0:1 in Wolfsburg befand: „Wir haben momentan eine Ergebniskrise.“ Wahrscheinlich spricht Lienen nächste Woche von Nullwachstum auf dem Punktekonto oder erklärt, die Torlinienüberquerungsperformance sei ins Stocken geraten, und alle finden das normal, weil Trainer halt so Sachen sagen. Und was meinen Peter Neururer, Jörg Berger und Volker Finke? Natürlich: dass rechnerisch noch alles möglich sei und sie fest an den Klassenerhalt glauben und so weiter. Fußball-Interviews sind so überraschungsreich wie das Ticken der Uhr, man braucht nicht zuzuhören. Aber vielleicht sind auch die Fußballmenschen solche Rituale insgeheim leid, und nächstes Mal platzt es aus Neururer heraus: „Klassenerhalt? Ja haben Sie die Tage mal auf die Tabelle geguckt? Haha! Klassenerhalt…“ Sein Präsident versichert derweil, selbstverständlich werde er Neururer feuern, und der Mannschaftskapitän erklärt, also wenn an der Misere einer schuld sei, dann der Trainer.“
Falsche Lebensentscheidung, die für Ruhm und Geld die Ideale verrät
Ein schöner Vergleich in einer CD-Kritik – Richard Kämmerlings (FAZ/Feuilleton 12.3.): „Das letzte Stück auf der letzten Platte von Kettcars Vorgängerband But Alive von 1999, ein versteckter Bonustrack, widmete sich der Karriere des früheren Fußballnationalspielers Calle Del‘ Haye. Der kleingewachsene, schnelle und dribbelstarke Flügelstürmer war Ende der siebziger Jahre bei Borussia Mönchengladbach zum Star geworden und wechselte dann zum FC Bayern München, wo er sich rasch auf der Tribüne wiederfand und sich nie entscheidend durchsetzen konnte – sein Schicksal gilt Sänger Marcus Wiebusch als Menetekel, als exemplarischer Fall einer falschen Lebensentscheidung, die für Ruhm und Geld die Ideale verrät. (…) Wer aus der Indie-Szene kommt, wird stets einen Verdacht gegen die Bayern Münchens dieser Welt hegen. Doch wie damals Calle Del‘Haye haben sich eben auch Kettcar für die ganz große Bühne entschieden; das Stadion ist nicht mehr weit.“