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Internationaler Fußball

Er geniesst es, das Etikett des Intellektuellen angehängt zu bekommen

Oliver Fritsch | Samstag, 26. März 2005 Kommentare deaktiviert für Er geniesst es, das Etikett des Intellektuellen angehängt zu bekommen

Flurin Clalüna (NZZ 26.3.) porträtiert Raymond Domenech: „Die harte Hand wird nicht von allen geschätzt. Auch dass er gerne kokettiert und verschiedene Rollen ausfüllt wie auf der Theaterbühne, wo er sich als Laienschauspieler versuchte, macht ihn nicht greifbarer. Schon als Spieler galt er als knorriger, eisenharter Verteidiger mit mächtigem Schnurrbart und finsterem Blick. Er habe gerne den Bösen gemimt, das habe ihm in seiner Karriere genützt. Provozieren will der geübte Kommunikator auch heute, im Alter von 53 Jahren, immer noch. Er geniesst es, das Etikett des Intellektuellen angehängt zu bekommen, weil er gerne Schach spielt und die Lektüre der Libération jener der L‘Equipe vorzieht. Er schmunzelt, wenn er aufgrund seiner Provokationslust als Anarchist bezeichnet wird; er lächelt, wenn sich die Leute die Haare raufen, weil er zugibt, dass er sich in seiner Entscheidungsfindung auch auf die Astrologie abstützt. Früher war der Sohn eines Katalanen, der während des Spanischen Bürgerkriegs nach Frankreich geflüchtet war, ein Don Quijote, der sich allem in den Weg stellte – auch den Windmühlen. Heute ist er ruhiger. Auch deshalb ist er der Sélectionneur.“

Sumpf aus Hybris, lähmenden Machtkämpfen sowie der Verflechtung mit der Mafia

Was gibt’s neues aus der Türkei, Tobias Schächter (taz 26.3.)? „Im Mittelpunkt des jüngsten Skandals steht ausgerechnet der bislang bestens beleumundete Nationaltrainer Ersun Yanal, der nach dem Scheitern in der letzten EM-Qualifikation als neuer sportlicher und vermeintlich integrer Hoffnungsträger Senol Günes ablöste. Vor drei Jahren soll Yanal als Trainer des Erstligisten Ankaragücü nicht nur Siegprämien aus dubiosen Quellen an der Steuer vorbei an Spieler verteilt, sondern auch selbst kassiert sowie einen großen Teil seines Gehalts nicht beim Fiskus angegeben haben. In gewohnter Mauschelmanier eröffnete der Verband keine Untersuchung, schließlich sei alles verjährt. Doch vor dem längst eingerichteten Fußball-Untersuchungsausschuss des Parlaments musste Yanal antanzen, wo er alle Vorwürfe bestritt. Der sichtlich angeschlagene Trainer soll nun auf Druck des Finanzministeriums seine gesamten Vermögensverhältnisse offen legen, ihm droht ein Strafverfahren. Auch die Finanzbuchhaltung aller Profivereine soll durchleuchtet werden. Zudem sorgen weitere Enthüllungen für Aufsehen, die den deutschen Schiedsrichterskandal wie eine Petitesse erscheinen lassen. (…) Ob sich damit aber der rasante Absturz der vermeintlichen Fußballgroßmacht in die Drittklassigkeit eines jammernden WM-Zuschauers aufhalten lässt, darf bezweifelt werden. Der türkische Fußball ist ein scheinbar nicht auszutrocknender Sumpf aus Hybris, lähmenden Machtkämpfen zwischen den drei mächtigen Istanbuler Klubs sowie der unseligen Verflechtung mit der Mafia. Das ist die traurige Wahrheit.“

Konkurrenz unter ungleichen Nachbarn

Mexiko trifft wieder auf die USA – eine heikles Spiel, meint Klaus Ehringfela (BLZ 26.3.): „Seit Tagen verkünden die mexikanischen Sportzeitungen in dicken Lettern die R-Worte: Rache und Revanche. Noch immer hat das Land die Niederlage gegen die Gringos vor drei Jahren im Achtelfinale der WM nicht verwunden. Die Rivalität zwischen Mexiko und den USA ähnelt jener zwischen den Niederlanden und Deutschland: eine Konkurrenz unter ungleichen Nachbarn, beschwert durch historische Erblast. Eine Niederlage auf dem Rasen ist daher weit mehr als nur ein verlorenes Fußballspiel. Es ist eine Tragödie und eine Verletzung des nationalen Stolzes. Denn im Bewusstsein jedes Mexikaners ist tief verwurzelt, dass Mexiko im Krieg von 1846 bis 1848 die Hälfte seines Territoriums an die USA verlor. Daher findet sich kaum ein Mexikaner, der nicht über die Gringos die Nase rümpft und ihre Überheblichkeit kritisiert. Andererseits sind die USA für Millionen von Mexikanern noch immer das Land, wo Milch und Honig fließen, wo es Arbeit gibt und richtiges Geld zu verdienen ist – und wohin daher jedes Jahr 300 000 Mexikaner auswandern, jeder zweite illegal. Der Fußball nun war lange einer der wenigen Bereiche, in dem die Mexikaner ihrem Nachbarn überlegen waren.“

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