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Interview

Ohne eine stabile Deckung kann man nicht offensiv werden

Oliver Fritsch | Donnerstag, 7. April 2005 Kommentare deaktiviert für Ohne eine stabile Deckung kann man nicht offensiv werden

Felix Magath mit Roland Zorn (FAZ 6.4.)
FAZ: Der FC Chelsea bietet so etwas wie den Gegenentwurf zu Real Madrid. Dort stehen seit Jahren die Stars auf dem Platz im Blickpunkt, während man sich an die Namen der jeweiligen Trainer kaum noch erinnert. Beim Londoner Tabellenführer der Premier League spielen viele hervorragende Profis, die Starrolle aber besetzt allein Mourinho. Wie beurteilen Sie ein solches Konstrukt, in dem der Trainer die Inszenierung entwirft und einen Konzeptfußball anbietet, in dem über allem das große Ganze zählt?
FM: Ich bin insofern Fan von Mourinho, weil ich auf meinen vorhergehenden Stationen ähnlich agiert habe. Ich hatte natürlich nicht die Position, die Mourinho jetzt in Chelsea hat, der zu einem Klub gegangen ist, der in den vergangenen Jahren zwar viel Geld, aber wenig Erfolg hatte. Mourinho ist dorthin als Champions-League-Sieger gekommen. Das hat ihm eine Machtposition verschafft, deren Basis er sich beim FC Porto erarbeitet hat. Er weiß einen Weg, wie man erfolgreich ist.
FAZ: Neiden Sie ihm die anscheinend unbeschränkte Fähigkeit, alles, was im sportlichen Betrieb des FC Chelsea wichtig ist, selbst bestimmen oder mitbestimmen zu können?
FM: Ich neide niemand etwas, glaube aber, daß es notwendig ist für einen Trainer, der erfolgreich arbeiten will, soviel Einfluß wie möglich zu nehmen – zum Wohle des Vereins.
FAZ: Mourinho gilt auch als Meister der Mindgames, also von Psychospielchen, die der Stärkung der eigenen Mannschaft dienen, aber auch bis hin zur Verhöhnung des Gegners, anderer Trainer oder der Schiedsrichter führen können. Verfolgen Sie eine ähnliche Mindgames-Strategie wie Mourinho?
FM: Wie ein Trainer psychologisch arbeitet, bleibt jedem selbst überlassen. Wir hatten ja in Deutschland Christoph Daum, der ähnlich wie Mourinho auf dieser Klaviatur spielte. Aus meiner Sicht verbrauchen sich diejenigen, die sehr stark auf Psychomethoden setzen, schnell. Ich bezweifle, daß es das richtige Mittel ist, um längerfristig irgendwo zu arbeiten. Man muß immer noch eins draufsetzen, wenn man so arbeitet. Das geht nur eine bestimmte Zeit, und dann kommt man aus der Nummer nicht mehr raus. Deswegen ist es aus meiner Sicht zu gefährlich. (…)
FAZ: Führt der Weg zum großen Erfolg für Sie zuerst über eine starke, kompakte Defensive?
FM: So war es schon immer. Aus eigener Erfahrung als Spieler habe ich schon erlebt, daß eine Mannschaft nur dann richtig funktionieren und spielbestimmend sein kann, wenn die Kraft aus der Defensive kommt. Andernfalls ist eine Mannschaft nicht in der Lage, ihr Offensivpotential umzusetzen.
FAZ: Gilt das nur im Fußball?
FM: Das gilt in jedem Sport, in jedem Spiel. Ich spiele ja gern Schach. Wenn Sie da gleich mit den Bauern wegziehen, gewinnt auch der Großmeister keinen Blumentopf. Schach ist mit dem Fußball sehr gut vergleichbar. Beides wird auf einem begrenzten Spielfeld gespielt, und das Objekt der Begierde liegt in der Mitte. Beim einen ist es das Tor, beim anderen der König. Daraus ergeben sich gemeinsame Strategien. Für beide Spiele gilt: Ohne eine stabile Deckung kann man nicht offensiv werden. Das ist auch beim Boxer so, beim Tennisspieler ebenfalls. Es ist eine Grundregel des Sports wie des Lebens.

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