Ball und Buchstabe
Gesellschaftlicher Durchschnitt
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| Dienstag, 12. April 2005Christoph Biermann (SZ 12.4.) rezensiert ein Buch über die Haltung und Handlungen Schalkes im Nationalsozialismus, das der Verein in Auftrag gegeben hat: „Schalke 04 steht damit neben Daimler-Benz, Volkswagen, Krupp und anderen deutschen Großunternehmen, die ihre Geschichte im Nationalsozialismus von unabhängigen Wissenschaftlern haben aufarbeiten lassen; der DFB hat eine solche Studie bis heute noch nicht vorgelegt. Im Schalker Fall ist das eher unspektakuläre Ergebnis bereits im Titel der Publikation zusammengefasst: „Zwischen Blau und Weiß liegt Grau“. Er soll sagen, dass der Serienmeister der Nazi-Zeit den gesellschaftlichen Durchschnitt repräsentierte. (…) Durch aufwändig belegte Archivarbeit glauben die Autoren nachweisen zu können, dass die Siege auf dem Rasen keine politischen Hintergründe hatten.“
FAZ: Opportunisten und Mitläufer
Den Jüngling bringt keines wieder
Peter Körte (FAS/Feuilleton 10.4.) besingt die Schwalbe Ballack mit Schiller: „Hat ihn Jürgen Klinsmann deshalb zum Kapitän gemacht, weil die britische Boulevardpresse Schillers Landsmann seinerzeit ebenfalls zum „diver“ ernannte? Oder hat Ballack einfach Schiller falsch verstanden? „Durch gymnastische Uebungen bilden sich zwar athletische Körper aus, aber nur durch das freie und gleichförmige Spiel der Glieder die Schönheit“, schreibt Schiller in den Briefen „Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen“, wobei mit dem freien Spiel der Glieder gewiß nicht gemeint ist, gegnerische Spieler mit einer Blutgrätsche einzuschüchtern oder theatralisch hinzusinken, wenn jemand am Trikot zupft. „Und schaudernd dacht ich’s, da kroch’s heran, / Regte hundert Gelenke zugleich, / Will schnappen nach mir“, heißt es in der Ballade „Der Taucher“, an welche der Abiturient Ballack sich vage erinnert haben mag, als Ricardo Carvalho neben ihn trat, zumal ja auch dem Gewinner der Champions League eine Art goldener Becher winkt: „Da treibt’s ihn, den köstlichen Preis zu erwerben, / Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.“ Leider hat Schiller-Schüler Ballack dann nicht weitergelesen. „Es kommen, es kommen die Wasser all, / Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder, / Den Jüngling bringt keines wieder“ – so wird es ihm ergehen, wenn Chelsea in München gastiert.“