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Interview

Von Beckenbauer erwarte ich eine Amerikanisierung des europäischen Fußballs

Oliver Fritsch | Mittwoch, 20. April 2005 Kommentare deaktiviert für Von Beckenbauer erwarte ich eine Amerikanisierung des europäischen Fußballs

Daniel Cohn-Bendit im Interview mit Roland Zorn (FAZ 20.4.)
FAZ: Warum wollen Sie Beckenbauer als möglicherweise künftigen Präsidenten der Uefa verhindern helfen und statt dessen Michel Platini in dieser Chefrolle sehen?
DCB: Platini ist kritisch gegenüber dem Fußball-Establishment, weil er sagt, daß sich sein Sport in eine fatale Richtung entwickle. Beckenbauer ist ein Vertreter des herrschenden Establishments.
FAZ: Das könnte man aber auch von Platini sagen. Er sitzt im Exekutivkomitee der Uefa genauso wie in dem der Fifa.
DCB: Das stimmt zwar, aber er sagt dort wie überall, daß der Weltfußball, dominiert von großen Vereinen, großen Ländern, großen Unternehmen, dem großen Geld einen gefährlichen Weg geht. Das muß wieder ins Lot gebracht werden. (…) Franz Beckenbauer hat Verträge mit verschiedenen Firmen, und hat sich, wenn er die Champions League kommentiert, oft über kleine Vereine lustig gemacht. Nach dem Motto: Was will Trondheim eigentlich hier? Außerdem hat er, in der Frage der Europameisterschaftsqualifikation, schon Vorschläge gemacht, wie man die kleinen Länder schneller los wird, damit die großen unter sich bleiben. Dies ist genau das, was Platini angreift. Er will die Champions League reformieren und die großen Klubs dazu zwingen, auch bei den kleinen Vereinen anzutreten. (…) Nach meiner Kenntnis fragt sich ein Drittel der Verbände, warum die Wahl verschoben werden soll. Viele Funktionäre sähen andererseits die Verlängerung ihres Mandats gewiß nicht ungern. Es gibt aber sachlich keinen Grund, die Wahl auf 2007 zu schieben. In jeder normalen Vereinsregelung wird nicht während einer Legislaturperiode der Zeitpunkt der nächsten Wahl verändert. Das geht doch nur für die nächste Wahlperiode. Das Establishment macht im Moment jedoch, soweit ich weiß, mobil und übt immensen Druck auf die kleinen Länder aus, dieser Verlegung zuzustimmen. Da ist ein unwürdiges Geschachere im Gange. (…)
FAZ: Was ist von einem Uefa-Präsidenten Platini und was von einem Uefa-Präsidenten Beckenbauer zu erwarten?
DCB: Der entscheidende Unterschied ist, daß Platini den Kleinen und den Außenseitern eine Chance gäbe. Er würde den sportlichen Wettbewerb verbessern. Von einem Beckenbauer erwarte ich eine weitere Entwicklung in Richtung Amerikanisierung des europäischen Fußballs, an deren Ende die Champions League zu einem Closed Shop würde.
FAZ: Das politische Establishment in Deutschland zeigte sich nicht sehr amüsiert über Ihre „Allianz gegen Franz“. Innenminister Schily sprach in dieser Zeitung von einer „peinlichen Initiative“. Ärgert Sie das?
DCB: Ganz im Gegenteil. Ich habe schon öfters im Leben Widerstand erfahren. Viele jedoch denken nach und unterstützen mich. Das ist ja nicht Grün gegen Rot oder Schwarz. Ich habe manchmal den Eindruck, da ist eine verschworene Gemeinschaft, deren Guru nicht mal hinterfragt werden darf. Man muß doch nicht für Beckenbauer sein, um an einen deutschen Paß zu kommen. Oder wird das in Zukunft die Bedingung für einen türkischen Mitbürger sein, der Deutscher werden will?
FAZ Was macht Sie eigentlich so sicher, daß Sie am Ende nicht Platini selbst verrät, wenn er als möglicher Präsident der Uefa in den Schoß des Establishments zurückkehrt?
DCB: Ich schließe natürlich nichts aus, aber die Fragen, die ich stelle, sind nicht allein personenbezogen. Es geht um den Fußball, den wir lieben.

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