WM 2006
Lehrbuchhaft
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| Mittwoch, 27. April 2005Michael Horeni (FAZ 27.4.) wundert sich über die Verurteilung des Ticket-Schwarzhandels im Internet durch das OK: „Als die Organisatoren noch Sponsoren für ihre Weltmeisterschaft suchten, da führten sie sich noch wie die Sachwalter der reinen Lehre auf. Wer am meisten zahlt, darf sein Firmenlogo auf exakt berechneter Quadratzentimeterfläche in den Stadien präsentieren und sich in seiner Branche als exklusiver WM-Partner fühlen. Dafür haben die nationalen und internationalen Sponsoren ordentlich was springen lassen müssen – aber so funktioniert eben die Marktwirtschaft. Seit dem vergangenen Wochenende ist das mit dem Grundsatz von Angebot und Nachfrage nach der Zuteilung der ersten Tranche der Tickets in den Augen der WM-Organisatoren jedoch so eine Sache. Dabei könnten die von Müntefering befeuerten kapitalismuskritischen Deutschen derzeit bei Ebay lehrbuchhaft verfolgen, wie Kapitalismus funktioniert – und was geschieht, wenn Marktgesetze außer Kraft gesetzt werden.“
Wo bitte ist das moralische Problem?
Verbraucherschützer Carel Mohn im Interview mit Matthias Wolf (BLZ 27.4.)
BLZ: Über E-bay wird Handel mit Karten betrieben. Nun prüft das WM-OK rechtliche Schritte gegen die Verkäufer.
CM: Ich bin skeptisch, dass man hier juristisch weit kommt und halte das im Übrigen auch nicht für hilfreich. Letztlich hat sich diesen Schlammassel mit E-bay das WM-OK selbst eingebrockt. Jetzt hat man genau das erreicht, was man eigentlich verhindern wollte: einen Schattenmarkt, der mit Risiken und Unsicherheiten behaftet ist. Der größte Fehler des DFB war, dass man eine Verunsicherung unter den Fans überhaupt zugelassen hat, indem man so tut, als sei es möglich, jegliche Weitergabe komplett auszuschließen. Das ist rechtlich nicht zulässig. Legale, für die Veranstalter nachvollziehbare Übertragungswege für die Karten, sind jedoch noch nicht geöffnet worden. Gegen unseren Rat. Es müsste längst eine offizielle Ticket-Tauschbörse geben, vom DFB kontrolliert. Dann würde sich alles in transparenten Bahnen bewegen können. Es wird Zeit, dass da schnell etwas passiert. Es gibt nur ein legitimes Interesse des DFB für einen derart komplizierten Kartenverkauf: den Sicherheitsaspekt. Dem steht nicht entgegen, dass Personen ihre Karten an andere übertragen. Beides lässt sich miteinander vereinbaren.
BLZ: Nun aber werden jene, die ihre Tickets feilbieten, vom OK-Vizepräsidenten, Horst R. Schmidt, als Geschäftemacher bezeichnet.
CM: Ach, es steht jedem frei, der eine Karte bekommt, die Karte zu übertragen. Das Motiv ist zweitrangig. Wir haben im Sinne der Verbraucher nicht ohne Grund durchgesetzt, dass die angekündigte sehr restriktive Handhabung der vollkommenen Personalisierung gelockert wurde.
BLZ: Das OK beharrt aber auf den triftigen Gründen, die für die Übertragung vorliegen müssen.
CM: Da wird eine völlig überzogene Drohkulisse aufgebaut. Es gibt ja nicht nur Leute, die auf das schnelle Geld aus sind. Da haben jetzt Fans Tickets, die verlieren zum Beispiel ihren Arbeitsplatz, oder wollen aus anderen Gründen nicht mehr ins Stadion. Diese Menschen darf man nicht als Schwarzhändler darstellen, wenn sie das legitime Interesse verfolgen, ihre Karten zu veräußern.
BLZ: Wer eine Karte ersteigert, müsse damit rechnen, nicht ins Stadion zu kommen, erklärt Horst R. Schmidt.
CM: Ich sehe da keine Rechtsgrundlage für den DFB. Ich kann nur raten, auf die Namensumschreibung Wert zu legen. Es ist das gute Recht jedes einzelnen zu sagen: Ich kann nicht hingehen und möchte, dass meine Karte Person XY bekommt. (…) Wo bitte ist das moralische Problem, wenn diese Leute sich ein paar hundert Euro bezahlen lassen? Die Veranstalter sind doch die Letzten, die sich über Kommerzialisierung aufzuregen haben.