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Interview

Fußball ist das komplizierteste Spiel

Oliver Fritsch | Samstag, 30. April 2005 Kommentare deaktiviert für Fußball ist das komplizierteste Spiel

Herrlich! Felix Magath plaudert mit Klaus Hoeltzenbein & Philipp Selldorf (SZ 30.4.) aus dem Nähkästchen
SZ: Zu Owen Hargreaves und seinem Tor in Hannover. Zuvor hatten Sie ihn durchs Karussell gejagt: Startplatz, Tribüne, Ersatzbank. Es hieß, Sie hätten ihm das nie so richtig erklärt.
FM: Ach, diese Nummer kommt hinterher immer. Die ganze Saison läuft das schon so, dass ich nach dem Training einen Zettel an die Wand hänge, auf dem der Kader steht fürs nächste Spiel.
SZ: Sie sagen das nicht persönlich, Sie hängen nur einen Zettel dorthin?
FM: Am Anfang habe ich die Spieler noch informiert, die nicht dabei sein würden. Das habe ich bei meinen Klubs vorher immer so gemacht, dass ich sie zu mir gerufen habe. Aber hier hat man darauf keinen gesteigerten Wert gelegt. So hängt seit September, Oktober jetzt der Zettel mit den Namen an der Wand.
SZ: Ernst Happel und Branko Zebec, Ihre legendären Lehrmeister beim Hamburger SV, haben auch nicht viel geredet.
FM: Nein, aber sie waren die besten Trainer, die ich hatte. Happel hatte sowieso immer nur fünf Minuten. Hat ein Buch aufgeschlagen, Brille vorne auf der Nase, murmelte irgendwas, man verstand bloß: „Der spielt da und der spielt da. Danke, meine Herren.“ Zebec sprach nur gebrochen Deutsch, obwohl er zwanzig Jahre in Deutschland war – ich glaube, er hat’s absichtlich gemacht. Was auch sinnvoll ist: Wenn Sie jemandem zuhören, den Sie schlecht verstehen, sind Sie aufmerksamer. Wenn einer flüssig redet, nicken Sie nach einer Minute ein. Leise reden ist auch nicht so schlecht.
SZ: Sie reden leise.
FM: Stimmt. Aber jetzt zu Zebec, von dem gibt es eine nette Geschichte mit einem neuen Spieler. Zebec machte einmal eine Sitzung, richtig mit Taktik – dauerte im Allgemeinen aber höchstens zehn Minuten. In dem Fall fragt nun Zebec: „Hat jemand noch Fragen?“ Und der neue Spieler meldet sich gleich in seiner ersten Sitzung: „Trainer“, sagt er, „das habe ich nicht so genau verstanden.“ Zebec hat den fünf Minuten zusammengestaucht. Es hat nie wieder irgendjemand was gefragt! Aber diese Mannschaft hat taktisch am allerbesten gespielt.
SZ: Heutzutage wären solch kauzige Trainerfiguren undenkbar.
FM: Sagt ja auch keiner, dass er jetzt noch so arbeiten will. Das Wichtigste aber bleibt: Der Spieler muss Vertrauen zum Trainer haben. Wenn die Spieler alles hinterfragen, sind sie unsicher. Das Spiel ist aber so kompliziert – auch das will keiner glauben, es heißt immer, Fußball sei ein einfaches Spiel. Nein: Es ist das komplizierteste Spiel! Weil es jeder anders sieht, jeder andere Schwerpunkte setzt und jeder es anders beurteilt. Damals mussten die Spieler akzeptieren, was der Trainer gesagt hat. Sie haben’s akzeptiert – und wurden dadurch besser. Ich glaube, das ist auch das, was den Erfolg von Mourinho ausmacht: Dass die Spieler nicht zweifeln an dem, was er sagt. Der hat ihnen am Anfang der Saison ein Schreiben gegeben, wie sie sich zu verhalten haben. Wer nicht akzeptiert, ist weg.
SZ: Bekamen die Bayern-Profis auch einen Brief?
FM: Nein. Aber noch eine Geschichte von früher: Da gab’s bei uns beim HSV einen Spieler, der hat sechs Wochen lang jedes Vorbereitungsspiel mitgemacht. Dann kam der letzte Test vor dem Saisonstart. Sagt Branko Zebec: „Plücki, du spielst links außen.“ Der erwidert: „Trainer, ich kann nicht links außen spielen.“ „Plücki, was?“ „Ja, ich kann nicht links außen spielen.“ Er hat nie mehr gespielt. Wir anderen haben das verstanden.

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