Bundesliga
Längst nicht mehr rufschädigend
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| Montag, 9. Mai 2005Christof Kneer (SZ 9.5.) stellt fest, dass sich Bundesliga und Zweite Liga angleichen: „Erstmals seit der Saison 1997/98 werden alle Klassenneulinge ins nächste Spieljahr versetzt, was in den letzten 25 Jahren erst fünfmal der Fall war. Dahinter steckt ein Trend, der so geheim ist, dass viele Erstligisten ihn am liebsten gar nicht bemerken würden. Der Trend besagt, dass die zweite Liga der ersten mit Macht entgegen wächst. Die Oberen der zweiten Liga sind nicht mehr schwächer als die Unteren der ersten, und das Lustige ist, dass die zweite Liga gar nicht so viel dafür kann. Die erste Liga war so freundlich, sich selbst kleiner zu machen. Sie hat sich im Größenwahn der fetten Jahre so radikal verschuldet, dass sie ihre Kader bald radikal verschlanken musste, worauf mancher Profi, der die zweite Liga für unter seiner Würde hielt, reuig im Unterhaus unterkroch. Wer früher als Erstligaprofi ein Angebot aus Liga zwei erhielt, galt fast als vorbestraft – aber längst ist die zweite Liga nicht mehr rufschädigend für die Podolskis, Kaluznys, Michalkes, van Lents.“
Inszenierte Niedergeschlagenheit
Gerd Schneider (FAZ 9.5.) stört sich am Wirken-Wollen Neururers nach der Niederlage in Nürnberg: „Peter Neururer ist Peter Neururer. Ein anderer wäre nach dem Schlußpfiff in der Kabine verschwunden, um allein zu sein mit sich und seiner Trauer. Der Bochumer Trainer aber dachte im Moment der vielleicht schwersten Niederlage seiner Karriere gar nicht daran, die heißgeliebte Bühne zu verlassen. Während die Nürnberger den Klassenverbleib feierten, blieb Neururer minutenlang auf der Trainerbank sitzen: gelähmt, niedergeschlagen, mit verwässertem Blick und kraftloser Haltung. Ein Bild des Jammers, ein perfektes Motiv für die Kameraobjektive – und tatsächlich schien es so, als würde der Fußballehrer selbst in dieser schweren Stunde sich und seine Niedergeschlagenheit inszenieren. Womöglich sah sich Neururer auch wirklich als Teil einer Tragödie – er, der gefällte Held, gegen den sich das Schicksal verschworen hatte.“
Eitel
Wen wird Uwe Rapolder nächste Saison trainieren? Andreas Morbach (FTD 9.5.) missfällt Rapolders Koketterie mit seiner Zukunft: „Ihm gefällt es prächtig, immer wieder darauf angesprochen zu werden. Gar nicht nach Hause gehen wollte der redselige, er machte Späßchen über und mit dem Kollegen Ralf Rangnick und erzählte Schwabenwitze. (…) Von den verbalen Schwabenstreichen ihres eitlen Trainers, der mit seinen 46 Jahren unverhohlen dem Sprung vom Provinz- zu einem Traditionsklub entgegenlechzt, dürften sie in Bielefeld die Nase längst voll haben. Umgekehrt möchte sich Rapolder im nächsten Jahr den durchaus denkbaren Absturz mit der Arminia ersparen.“
Plötzlich prasselt alles auf Sammer ein
Peter Penders (FAZ 9.5.) erklärt die Wut Matthias Sammers, die nach dem Sieg gegen Hannover in eine „Publikumsbeschimpfung“ mündet: „Wer den Beruf des Fußballtrainers für einen Traumjob hält, sollte sich, abgesehen von allerdings exorbitanten Verdienstmöglichkeiten, das Beispiel Sammer näher ansehen. Vor knapp einem Monat noch gefeiert, ist er binnen kürzester Zeit in die Kritik geraten. Zu defensiv die Spielweise, falsche Aufstellung, falsches Training – plötzlich prasselte alles auf Sammer ein, als habe er alles verändert und sei damit allein verantwortlich für die Niederlagen in Rostock und Mönchengladbach und nicht die unübersehbar laxe Einstellung seines Personals.“
Realitätskrise
Oliver Trust (SZ 9.5.) wird nicht schlau aus Stuttgart: „Wo fängt eine Realitätskrise an, wo hört sie auf, und – noch wichtiger – wer befindet sich in einer solchen? Die Mannschaft, die nicht sonderlich schön spielt, sich hartnäckig an den Champions-League-Platz klammert und dafür beklatscht werden will? Oder Matthias Sammer, der im Klub wegen zurückhaltender Taktik und überschaubarer Trainingsumfänge misstrauisch beäugt wird, sich aber auf einem guten Weg wähnt? Oder gar die Zuschauer, die sich mit den Darbietungen, fern von Leichtigkeit und Lust, nicht zufrieden geben?“
Darf das sein, dass Bayern München auch noch Spaß macht?
Philipp Selldorf (SZ 9.5.) vermisst, bei den Mainzern und bei sich, den ganz normalen Bayern-Hass: „Sie sind reich, sie sind mächtig, sie sind gierig, sie sind zynisch, sie akzeptieren nur ihre eigenen Gesetze. Ihr Fußballspiel ist kalt und gnadenlos. Aber am Samstag in Mainz? Für Millionen Deutsche brach ein sorgsam gehegtes Feindbild entzwei. Lustig wie die Kinder tollten die Münchner nach der Partie auf dem Rasen herum, ansteckendes Lachen und sympathische Lebensfreude in den Gesichtern, liebenswert wie du und ich. Es gab Szenen der Verbrüderungen. Vorher hatten sie tollen Fußball gespielt, wunderschöne Tore geschossen. Darf das sein, dass Bayern München auch noch Spaß macht?“
Mittelfeldismus
Hertha und Champions League? Javier Cáceres (SZ 9.5.) weiß nicht so recht: „Der Tabellenstand festigt diese Sehnsucht, die deprimierend schlechte Partie tat es zu keiner Zeit. Schon gar nicht in der ersten Halbzeit, als die Platzherren den schändlich defensiven Vortrag der Wolfsburger mit Mittelfeldismus beantworteten, einer statischen Abart des Fußballs, bei der das Gerät phantasielos quer geschoben wird. Erst als dessen Hauptideologe, Thorben Marx, ausgewechselt war, kam etwas Verve in die Aktionen Herthas.“
Nächstes Jahr hat euer letztes Stündchen geschlagen
Aber, aber Rainer Moritz (FTD 9.5.), wer wird sich denn gehen lassen? „Am Ende der Saison 2005/06 wird der VfL Wolfsburg endlich den verdienten Weg in die zweite Liga antreten, jene nervtötend fade Mannschaft, die selbst Arminia Bielefeld als schillernden Paradiesvogel erscheinen lässt. Nein, niemand braucht Wolfsburg im Oberhaus, ja, gäbe es nicht die Volkswagen AG, wäre die Existenzberechtigung von ganz Wolfsburg in Zweifel zu ziehen. Gewiss, der „Zukunftsatlas“ bescheinigt Wolfsburg unter 439 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland einen tollen elften Platz, was die Innovationschancen angeht. Der Fußball kann damit nicht gemeint sein. (…) Was alles diesen VfL überflüssig macht: Sein Spielmacher d’Alessandro etwa, der es in dieser Saison auf ebenso viele Tore wie Platzverweise brachte. Oder Stürmer Brdaric, bei dem Selbst- und Fremdbild erschreckend auseinander klaffen. Oder der nassforsche Neumanager Strunz, mit dessen Kommen ganz konsequent der Niedergang einsetzte. Wir brauchen keinen Erstligaverein, dessen Maskottchen „Wölfi“ heißt und der sich als Torhymne Rocky Sharpes „Rama Lama Ding Dong“ aussucht. Nächstes Jahr, liebe Wolfsburger, hat euer letztes Stündchen geschlagen.“