Ball und Buchstabe
Ungeschult, blauäugig und eitel
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| Dienstag, 17. Mai 2005Achtung, Sie verlassen den Erstliga-Sektor! Markus Lotter (WamS 17.5.) zählt die Versäumnisse der ostdeutschen Vereine: „Alles ist, wie es immer war: Seit 15 Jahren leiden die Ostklubs unter der Wirtschaftsschwäche ihrer Regionen, seit 15 Jahren pendeln die Klubs zwischen Finanzgerichten, Oberliga, Regionalliga und Zweiter Liga. Und seit 15 Jahren haben die meisten Klubs ihre Misere selbst herbeigeführt. Nur, wer redet schon gern darüber? Statt hektisches Getue durch eine fundierte Analyse zu ersetzen, geistern populistische Vorschläge ohne Tiefgang durch die Republik. Wie etwa der von Franz Beckenbauer, die Bundesliga solle auf 20 Klubs aufgestockt werden. Oder der von Lothar Matthäus, der forderte, Westvereine sollen die Kollegen im Osten mit Geld unterstützen. Woran sich der Rekordnationalspieler nicht zu erinnern vermag: Schon einmal flossen Millionen in Vereine zwischen Kap Arkona und Bad Elster. Gebracht haben sie nichts. Der DFB pumpte 20 Millionen Euro Aufbauhilfe in den Ostfußball – so wie private Investoren (…) In den Führungsetagen der Klubs aus den Neuen Bundesländern saßen jahrelang Glücksritter aus Ost und West, windige Finanzjongleure, Politiker oder einfach nur Fans. Das Management war oft ungeschult, blauäugig und eitel.“
WamS-Interview mit Schriftsteller Thomas Brussig über den Fußball im Osten
Dieter Krein ist nicht mehr Präsident von Energie Cottbus, BLZ
Die Tartanbahn breiter als die Wolga
Marc Schürmann (FTD 17.5.) verkneift sich das Fluchen: „Das Olympiastadion starb durch die Hände derer, die ihm nun nachweinen, und es starb mit Recht. Es gibt Menschen, die in keiner anderen Lebenslage eine Brille brauchten als in diesem Stadion: weil sie sonst die Rückennummern nicht sahen. Womöglich nicht einmal die Rücken. Die Tartanbahn breiter als die Wolga, die Haut bei Regen genauso nass und das Rund weit, so weit. Am schlimmsten waren die Heimspiele von 1860 München, da fühlte man sich einsamer als in einem finnischen Familiendrama. Der miese Finsterling, der damals diese Schalensitze entworfen hat, in diesem Grün, mit diesen Mulden, ist vermutlich selbst schon an seinem Menschenhass zugrunde gegangen; auf jeden Fall kann es ihm nicht gut gehen. Falls Sie nun meinen, pah, der hat gut reden, sitzt immer auf der komfortablen Pressetribüne und meckert über unsere Sitze: ha, von wegen. Hätten Sie sich mal zu den Journalisten gesetzt, in Reihe 15 zum Beispiel, zwischen Sitzfläche und Schreibfläche – Sie wären erstaunt gewesen, wie rasch man jedes Gefühl in den Beinen verliert.“