Bundesliga
Durchschnittsware
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| Montag, 23. Mai 2005Roland Zorn (FAZ 23.5.) kommentiert den letzten Spieltag: „Europa muß Deutschland auch im kommenden Spieljahr nicht fürchten – das wurde zum Bundesliga-Abschluß überdeutlich. Zu Ende ging eine Saison, die nur einem Verein gehörte: Bayern München, der als einzige deutsche Fußballadresse von Rang auch jenseits der Landesgrenzen höchstes Ansehen genießt. 14 Punkte dahinter, also vom Tabellenzweiten Schalke an, beginnt schon das Mittelmaß. Eine stetig fallende Tendenz, die dem heimischen Publikum nichts auszumachen scheint. Wer mit 11,5 Millionen Zuschauern in den großenteils neuen oder renovierten Arenen Rekordbesuch vermeldet, muß Wochenende für Wochenende zumindest keiner verwöhnten Kundschaft Angebote machen. Das Publikum hat sich mit der sportlichen Durchschnittsware angefreundet und genießt im Zweifel dann eben den sogenannten Eventcharakter rund um die Begegnungen. Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft sind zumindest die Rahmenbedingungen längst erstklassig, doch ob Verpackung auf Dauer Inhalt schlagen kann, ist beim Blick auf den diesmal einseitigen und auf verschiedenen Ebenen früh entschiedenen Wettbewerb zweifelhaft.“
Alles eine Frage des Geldes?
Frank Hellmann & Jan Christian Müller (FR 23.5.) sorgen sich um die Ungleichheit der Liga: „Die Schwäche der Konkurrenz kann auch dem FC Bayern nicht dienlich sein: Die böse Überraschung, die Magaths Mannen an der Stanford Bridge bei der Lehrstunde gegen Chelsea London erlebten, führten viele Experten auf die Unterforderung im Liga-Alltag zurück. Ist es alles eine Frage des Geldes, wie es die Bayern-Oberen in ihrer Aufarbeitung nun ständig und bestimmt nicht völlig grundlos wissen lassen? Wirtschaftlich zählt die Bundesliga trotz aller aufgeregten Wehklagen des Branchenführers „zu den drei Top-Ligen mit dem höchsten Erlösvolumen weltweit“, wie DFL-Geschäftsführer Christian Müller in seiner Expertise zur wirtschaftlichen Situation im deutschen Lizenzfußball darlegt. Doch sportlich erlöst die Liga längst nicht jenen Stellenwert.“
Gut für Deutschland
Andreas Burkert (SZ 23.5.) hingegen sieht die Bundesliga in der nächsten Champions League gut aufgestellt: „Man wird das sehen im nächsten Jahr, wenn die Liga und ihre Hauptdarsteller in eine aufregende WM-Saison gehen – und Schalker wie Bremer auf Bewährung um ihr Vorankommen in der kontinentalen Hierarchie spielen. Dem VfB, welchem offenbar ein gravierender Umbruch bevorsteht, möchte man diesen nationalen Auftrag ebenso wenig anvertrauen wie der Hertha, die weiterhin zu sehr mit dem diffizilen Projekt Hauptstadtklub beschäftigt ist (und mit einer erheblichen Schuldenlast). Bayern deutlich vor Königsblau und Werder, das ist nicht besonders originell. Aber gut für Deutschland.“
Zaghaftigkeit, Mutlosigkeit, Lethargie
Die Stuttgarter enttäuschen Roland Zorn (FAZ 23.5.): „Wer im finalen Saisonduell so etwas wie Stuttgarter Hingabe erkennen wollte, konnte sie nicht einmal in Spurenelementen finden. (…) Bei der Ursachenforschung für den Niedergang der Stuttgarter Spielkultur und die Verkümmerung des Selbstbewußtseins gehören auch Sammers Fehler zur Gesamtbetrachtung. So defensiv der Coach sein Team nicht nur am Samstag aufgestellt hatte, so schüchtern trat es den unerschütterlichen Münchner Meistern entgegen. Von Freude an der anspruchsvollen Aufgabe, dem Klassenprimus wenigstens am Samstag beikommen zu können, war nichts zu spüren. Statt dessen Zaghaftigkeit, Mutlosigkeit, Lethargie.“
Oliver Trust (FR 23.5.) befasst sich mit dem Stuttgarter Trainer: „Der einstige Wunschtrainer Matthias Sammer längst nicht mehr als die ideale Lösung angesehen wird, die die Schwaben auf dem Weg weiter führt, den Felix Magath einst beschritt. Vom Schwung, von der Begeisterung vergangener Tage ist nicht viel übrig geblieben.“
Erfreuliche Wesensart
Ludger Schulze (SZ 23.5.) lobt den Charakter der Bayern: „Der FC Bayern besitzt eine Mannschaft von erfreulicher Wesensart. Der Versuchung, den Berufsalltag nach getaner Arbeit in Urlaubslaune ausklingen zu lassen, haben die neuen Deutschen Meister widerstanden und der Serie aus acht Siegen eine neunte Perle hinzugefügt. Bei der Tour de France beispielsweise ist es üblich, auf der letzten Etappe „die Beine hochzunehmen“ und sich im Stolz auf die eigene Leistung zu sonnen. Auch im Fußball stellt man in der Regel einen krassen Verlust an Lust und Laune fest, sobald ein Team sein Ziel erreicht hat.“
Fallhöhe
Immerhin Uefa-Cup – Javier Cáceres (SZ 23.5.) fordert von Hertha mehr Freude und Demut: „Eine unbekannte Hand reichte den Angestellten die anderen weißen Hemden: „Wir sind im UEFA-Cup 2005/06“, war dort aufgedruckt. Es gab Spieler, die konnten sie gar nicht schnell genug wieder fortwerfen. Nichts half, die Fallhöhe zu mildern – weder das Wissen darum, dass man vor genau einem Jahr erst am vorletzten Spieltag dem Abstieg entgangen war, noch der vielsagende Fakt, dass Hertha nicht eine einzige Minute auf einem Champions-League-Platz gestanden hatte, in der ganzen Spielzeit nicht. Wer wollte angesichts der Nähe der Champions-League-Ränge die Ratio mühen?“