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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Wir lassen uns unsere Arbeit nicht kaputtmachen

Oliver Fritsch | Dienstag, 31. Mai 2005 Kommentare deaktiviert für Wir lassen uns unsere Arbeit nicht kaputtmachen

Jürgen Klinsmann mit Lars Gartenschläger (WamS 29.5.)
WamS: Wie gehen Sie mit den Kritiken und Verbesserungsvorschlägen um, die Sie unablässig erhalten?
JK: Ich versuche mich immer zu fragen, welchen Hintergrund die Aussagen haben. Manchmal frage ich mich schon, ob der eine oder andere sich nicht besser zurückhalten sollte. Ich maße mir als Bundestrainer auch nicht an, über jeden zu urteilen. Aber wenn beispielsweise Uli Hoeneß etwas sagt, hat es Gewicht, dafür ist er eine Institution des deutschen Fußballs. Ich habe großen Respekt vor ihm. (…)
WamS: Bemängelt wird, daß bei der Zusammenstellung Ihres Wunschteams langjährige DFB-Mitarbeiter auf der Strecke blieben.
JK: Ich habe vom ersten Gespräch an gesagt, daß ich mir einen Stab aufbauen werde, von dem ich überzeugt bin. Ich kannte Jogi Löw von meinem Trainerlehrgang im Jahr 2000, wo er Welt- und Europameistern in der Halle exemplarisch mal eben in zwei Minuten die Viererkette erklärt hat. Zu Guido Buchwald, der damals neben mir saß, habe ich nur gesagt: Guido, ich weiß nicht, wie viele Trainer ich in 18 Jahren Profilaufbahn hatte, aber das konnte mir von denen keiner so erläutern. Was ich sagen will: Es ist keineswegs so, daß ich Leute nur deshalb in meinem Boot habe, weil es gute Freunde sind. Es ging allein darum: Sind sie top, und können sie sich genügend einbringen? Wenn man jede einzelne Position durchgeht, die wir jetzt umdisponiert oder neu geschaffen haben, kommt bei jeder am Ende heraus, daß eine starke Qualitätsverbesserung da ist.
WamS: Wieso teilten Sie Erich Rutemöller am Telefon mit, daß er nicht mehr zum Trainerstab gehört?
JK: Die Art, wie wir das Thema mit Erich diskutiert haben, war stilvoll. Wir haben seit Monaten versucht, Aufgaben zu finden, die er ausfüllen kann. Er hatte in den vergangenen zehn Monaten praktisch keine konkrete Aufgabe mehr bei uns. In Zukunft wird er mit Trainerlehrgängen bei uns vorbeischauen, wird in die Spielbeobachtung mit aufgenommen. Ich denke, daß ich so eine Umschichtung telefonisch machen kann und nicht warten muß, bis man sich einen Tag vor dem Spiel in München trifft. Aber das ist ja nicht das eigentliche Problem.
WamS: Sondern?
JK: Im Zuge dieser Geschichte sind wie so oft Gegenpole aufgebaut worden. Wir gewinnen mit Urs Siegenthaler einen neuen Chefscout, der absolut top ist, ein Analytiker, ein Stratege. Doch das Thema der Geschichte ist: wozu brauchen wir einen Schweizer? Das ist nicht nur niveau-, sondern auch respektlos. So war es schon, als wir die amerikanischen Fitnesstrainer für uns gewinnen konnten. Trainer, zu denen Stars aus der NBA freiwillig hingehen und aus der eigenen Tasche Geld für Fitnessprogramme bezahlen. Aber wissen Sie, wir registrieren das alles ganz genau. Es kann in Zukunft schon mal passieren, daß wir die Türen zumachen, wenn überdreht wird. Wir sind kritikfähig, aber wir lassen uns unsere Arbeit nicht kaputtmachen.
WamS: Bei rund 900 Fußballtrainern, die es in Deutschland gibt, darf die Frage erlaubt sein, warum Sie sich für Siegenthaler entschieden haben.
JK: Natürlich. Noch einmal: bei allem, was wir entscheiden, gilt die Qualität als Maßstab.

Wir wollen Spieler, die etwas zu sagen haben

Oliver Bierhoff mit Michael Ashelm (FAS 29.5.)
FAS: Wie sieht aus Sicht des Teammanagers der ideale deutsche WM-Spieler aus?
OB: Das Gesamtbild der Mannschaft ist mir sehr wichtig. Wir haben das Ziel, daß der deutsche Fan zu Beginn der WM 2006 sagt: Ich drücke den Jungs die Daumen. Nicht, weil das die Nationalmannschaft oder Deutschland ist, sondern weil das tolle Jungs sind. (…) Bei der EM waren die Spieler für viele Fans noch die Millionäre, die es verdient hatten, nach Hause zu fahren. Jetzt haben wir einige interessante junge Spieler im Kader. Etwa Per Mertesacker, der hat Abitur und macht jetzt Zivildienst. Wir möchten den Fans die Spieler als Menschen näherbringen und der Mannschaft als Gesamtes ein Gesicht geben. Wenn in der Vergangenheit Erfolg da war, wurde es alleine Rudi Völler, Oliver Kahn und Michael Ballack zugeschrieben. Der Rest ist weggefallen. Wir möchten die Mannschaft als Ganzes zeigen, die sich voll auf ihren Job auf dem Fußballplatz konzentriert – und sich dazu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewußt ist. Die Nationalmannschaft muß für Dinge stehen, die über den Platz hinausgehen. Sie muß mit ihren Partnern und Helfern einen freundlichen Umgang pflegen, Ausstrahlung haben, Freude bei den Fans auslösen und eine positive Einstellung zum Job zeigen.
FAS: Ziemlich glatt. (…) Was wollen Sie damit erreichen?
OB: Die Persönlichkeitsbildung von Spielern ist vernachlässigt worden. Bisher wurde darauf geachtet, daß er fit ist und es ihm gutgeht. Doch ein Spieler auf dem Platz kann nur wachsen, wenn er auch als Person wächst. Dann kann er im Spiel auf höchstem Niveau mehr Verantwortung übernehmen und bessere Entscheidungen treffen. (…)
FAS: Ein Beispiel?
OB: Zur Asien-Reise haben die Spieler ein Buch bekommen. Von Napoleon Hill: „Denke nach und werde reich.“ Reich ist hier nicht finanziell zu sehen. Ein amerikanischer Bestseller, in dem es darum geht, was erfolgreiche Menschen ausmacht. Es war das erste Buch, das ich auf diesem Gebiet gelesen habe, was mir den Anstoß gab, andere Bücher zu lesen, um für mich einen Weg zu finden.
FAS: Sie galten als Spieler auch nicht gerade als Typ für die knalligen Worte.
OB: Ich war immer gegen provokative Aussagen. Aber man muß auch seine Meinung abgeben. Und das geht bei uns in der Nationalmannschaft. Wir verhängen keinen Maulkorb. Wir wollen Spieler, die etwas zu sagen haben. Gerade in Deutschland ist das aber schwer. Da heißt es meistens: Wenn ich keine Leistung gebracht habe, muß ich mich wegducken. Doch wir brauchen Selbstvertrauen, Lockerheit, Elan.

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