Ball und Buchstabe
Bayerischer Provinz-Mief
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| Donnerstag, 2. Juni 2005Die Eröffnung der Allianz-Arena – Jan Christian Müller (FR 2.6.) missfallen die Schmähungen der Bayern-Fans gegen Jens Lehmann und die deutsche Elf: „Bayerischer Provinz-Mief wehte durch die imposante neue Arena.“
Höhnen
Philipp Selldorf (SZ 2.6.) ergänzt: „Lehmann wurde systematisch ausgepfiffen, beschimpft und verspottet. Lauter Attraktionen hatte der FC Bayern für seinen Festakt engagiert, ein Riesenfeuerwerk abgebrannt und die Arena spektakulär leuchten lassen – doch der schönste Zeitvertreib der Bayern-Fans bestand darin, Jens Lehmann zu verhöhnen.“
Münchner Reizklima
Michael Horeni (FAZ 2.6.) kommentiert den Zorn Oliver Bierhoffs und die Gelassenheit Jürgen Klinsmanns: „Die überraschende Impulsivität Bierhoffs und die demonstrative Gelassenheit Klinsmanns wirkten wie eine Arbeitsteilung in der Nationalmannschaftsführung, die seit Wochen unter bayerischen Machtdemonstrationen litt. Erst die von Hoeneß entfachte Umzugsdebatte um den Bundestrainer, dann die in einen Rat gekleidete Forderung Magaths, Kapitän Ballack beim Confederations Cup zu schonen und nun die Pfiffe gegen Lehmann sowie eine Niederlage gegen den FC Bayern – das war ein bißchen viel für die Nationalelf im Münchner Reizklima.“
Selbstbezogenheit
Die FAZ (2.6.) notiert: „Die Münchner Selbstbezogenheit zeigte sich nicht nur in den ständigen Pfiffen gegen Lehmann. Nach ein paar Minuten, als der FC Bayern sein erstes Tor gegen die Nationalmannschaft erzielt hatte, tat das Publikum in seiner neuen machtvollen Heimat das allgemeine bayerische Selbstverständnis kund. „Wir sind besser als das ganze Land“, riefen die Anhänger, und sportlich lagen sie damit sogar genau richtig.“
of: Sie riefen später auch: „Schade, Deutschland, alles ist vorbei.“ Ich dachte, das singen nur Holländer. Hohn gegen die deutsche Nationalelf in einem deutschen Stadion?! Das kann doch nur ein Irrtum sein.
„Riesensauerei“ – FR-Interview mit Oliver Bierhoff über die Parolen der Bayern-Fans
Pop-Clip des deutschen Aufschwungs
Was passiert mit unseren Gebühren? Christopher Keil (SZ/Medien 2.6.) erlebt den Abend am Fernseher: „Oben auf dem Logenrang saßen die ZDF-Führungskräfte um den Intendanten Markus Schächter und verfolgten die in viel Rot und Weiß verpackte Sponsoren-Sportschau zur Abwechslung sehr entspannt. Bauten wie die Allianz Arena können heute nur noch mit industrieller Zuwendung entstehen, und öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat Sponsoren-Richtlinien zu beachten. Doch an diesem Abend mischte sich die Inszenierungsabsicht des Fernsehens, die finanzielle Gewalt großer Unternehmen und die Ästhetik moderner Athleten zu einem Pop-Clip des deutschen Aufschwungs. (…) Gottschalk kann den Raum, den ein Fußballplatz bietet, immer noch füllen. Er hatte bestimmt vieles nie, hat manches nicht mehr, ganz sicher hat er Präsenz. Dann wurde das Eröffnungsspiel angepfiffen, die neue ZDF-Fußball-Fachkraft Wolf-Dieter Poschmann versuchte sich als Kommentator, und man schaltete ab, den Ton.“
Bildserie von der Eröffnung der Allianz-Arena, faz.net
O du blöder, ganz und gar grauenvoller Stabreim
Das Streiflicht (SZ 2.6.) sollte besser nicht den kicker lesen: „Der Abend kam, und mit ihm kam der alte Ärger. „Fußball vom Feinsten“ versprach das ZDF in seinen Nachrichten, und kurz danach, im Wetterbericht, schwärmte es von „Sonne satt“ im Monat Mai. O du blöder, ganz und gar grauenvoller Stabreim! Fällt dem Medienmenschen (Me-Me) nichts mehr ein, dann verfällt er ins Lallen und Alliterieren. Außerdem: Ist es nicht beinahe Blasphemie, sich kosmischen Phänomenen wie dem Fußball oder der Sonne mit Worten zu nähern, mit denen man, satt und vom Feinsten, allenfalls über Wurstwaren reden sollte?“