Bundesliga
In Stuttgart sind die Spieler wichtiger als der Trainer
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| Samstag, 4. Juni 2005Benedikt Voigt (Tsp 4.6.) kritisiert die Entlassung Matthias Sammers: „Erwin Staudt hat seinen Trainer entlassen. Und einen großer Fehler begangen. Er hat Stuttgarts Spielern mehr Macht zugebilligt, als ihnen zusteht. Das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern ist kein demokratisches, sondern ein autoritäres. In Stuttgart gehen unzufriedene Spieler wie Alexander Hleb, Andreas Hinkel oder Kevin Kuranyi gestärkt hervor, sie sind offenbar wichtiger als der Trainer. Und der künftige Trainer muss mit ihrem neuen Sonderstatus klar kommen. Natürlich ist Sammers Entlassung die Reaktion auf die schlechten Leistungen. Doch bei genauem Hinsehen war die abgelaufene Saison ein Erfolg, lediglich am letzten Spieltag rutschte der VfB aus den Champions-League-Plätzen. Das Gleiche ist im Vorjahr auch passiert, damals hieß der Trainer Felix Magath. Ein Grund mehr, sich nicht mit dem Trainer zu befassen. Sondern mit den Spielern.“
Ein harter Hund ist übrig geblieben
Thomas Kistner (SZ 4.6.) verweist auf Sammers Fehler: „Ein halbes Jahr zehrte Sammers Tross von Magaths kraftvoller Vorarbeit, dann zerfiel er in die Einzelinteressen seiner Profis: Die Vertragspoker der Jungnationalspieler Hildebrand und Kuranyi setzten ebenso die Agenda wie die Ego-Shows von Meira oder Hleb. Sammer selbst hatte seinem Ensemble da die einst gefürchtete Aggressivität auf dem Rasen schon ausgetrieben, kleinmütig ging es in die Spiele und oft mit nur einer Sturmspitze. Auf Zögern und Taktieren fußte das System des Trainers Sammer, der im Grunde ein verkappter Spieler geblieben ist – so, wie er einst als Spieler ein verkappter Trainer war. Hinzu kamen Defizite in der Außendarstellung, was sich im Unterhaltungsgewerbe Profifußball stets verheerend auswirkt, wenn sportlicher Erfolg ausbleibt. (…) Ein harter Hund ist übrig geblieben im gemütlichen Schwabenländle.“
Leichtgewichte
Michael Jahn (BLZ 4.6.) lenkt den Blick auf den Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Hundt: „In seiner Rolle als Präsident parliert Hundt gerne und schön über die Schaffung neuer Arbeitsplätze, doch als Aufsichtsrat hat er nun etwas betrieben, was nicht unbedingt zu seinem Image passt: Er hat einem leitenden Angestellten den Arbeitsplatz gestrichen. Das klingt hart, und das ist es auch. Hundt hat sich durchgesetzt (…) Sicher hat Sammer, der als Trainer mit hohem Sachverstand gilt und als akribischer Arbeiter, in der jüngsten Vergangenheit Fehler begangen. In der Führung des Personals, in der Taktik, in der Ansprache der Mannschaft. Nun aber, nach der Trennung, droht dem VfB Stuttgart ein chaotischer Zustand. (…) Die beiden Manager sind Leichtgewichte der Branche, und der Präsident galt schon länger als führungsschwach.“
Aus kommunikativen Schwächen schnell lernen
„Stuttgarter Krankheit“ diagnostiziert Roland Zorn (FAZ 4.6.) und schaut in Sammers Zukunft: „Seit Freitag weiß alle Welt, daß sich auch Staudt, der erfolgreiche IBM-Manager, den Gesetzmäßigkeiten des Fußballs in Stunden der Not oder des Drucks von unten beugt. (…) Mannschaft und Trainer verspielten viel Kredit beim Anhang des VfB, der von Magath einen couragierten, frechen, angriffslustigen Fußball gewöhnt war. Nichts davon war in den vergangenen Wochen mehr übriggeblieben, als die Schwaben wie eine Ansammlung alter Männer über die Plätze der Bundesliga schlichen und Angriffsflächen zuhauf boten. (…) Dem Coach Sammer werden weiterhin Türen offenstehen – vielleicht demnächst in Wolfsburg. Er muß aber aus seinen kommunikativen Schwächen schnell lernen, will er auch in Zukunft zur schmalen Riege der Toptrainer in Deutschland gezählt werden.“