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Auf unterschiedliche Art gleich
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| Donnerstag, 9. Juni 2005Sehr lesenswert! Ronal Reng (Zeit 9.6.) zeigt uns Lothar Matthäus im Spiegel Jürgen Klinsmanns: „Er ist ein scharfer Analytiker eines Fußballspiels, er macht ein gutes Training. Und die Angebote aus der Bundesliga oder anderen großen Ligen lassen auf sich warten. Matthäus, darauf laufen alle Gespräche mit Machern im deutschen Fußball hinaus, sei sein eigener Feind. Zu egozentrisch. Kann den Mund nicht halten. Garantiert Ärger. Doch liegt es wirklich nur an ihm? Während sie in anderen Ländern generös über die Makel ihrer Fußballstars hinwegsehen, in England David Beckham trotz seiner Selbstverliebtheit lieben, in Spanien Raúl vergöttern, obwohl er permanent schlechte Laune ausstrahlt, wurde in Deutschland ein Sport daraus, über Matthäus zu lächeln oder zu lästern. Weil wir Deutsche in Matthäus all das wiedererkennen, was wir an uns selbst hassen? Sobald seine Heimkehr auch nur als vage Möglichkeit auftaucht, regt sich Widerstand. „Wenn er Bundestrainer wird, melde ich unsere Elf in der holländischen Liga an“, sagte Rudi Assauer, als Matthäus mit dem Amt liebäugelte. Dass es Jürgen Klinsmann bekam, hatte seine Ironie. Ihre gesamte Karriere hindurch verbindet sie eine Rivalität, wie es sie sonst nur bei Einzelsportlern gibt, Muhammad Ali gegen George Foreman, Sebastian Coe gegen Steve Ovett. Matthäus und Klinsmann schafften es, als Spieler zusammen erfolgreich zu sein und trotzdem wie Gegner dazustehen. Auf ihre unterschiedliche Art sind Matthäus und Klinsmann gleich. Sie sind sehr deutsche Stars. Ihre Ziele erreichten sie mit Hartnäckigkeit, Besessenheit, Verbissenheit. Leichtigkeit haben sie nie besessen. Klinsmann kann das verbergen, mit seinem Sonnyboy-Lächeln, seinem Talent für Fremdsprachen, seinem Leben in Los Angeles. Matthäus kann man es immer ansehen: den brennenden Ehrgeiz, die Sehnsucht, weltgewandt zu wirken; den Wunsch, nach jedem Streit trotzdem geliebt zu werden. (…) Er ist ein Kind des deutschen Fußballs der Achtziger. Dort ging es nie so sehr um Taktik oder Talent, sondern immer um den Willen. (…) Am deutlichsten kam das System „Gemeinsamer Erfolg durch Konflikte untereinander“ zu seiner Spielerzeit beim FC Bayern zum Tragen. Damals bildeten sich regelrechte Lager, sogar im Präsidium und in den Medien, Manager Hoeneß, Klinsmann und die Süddeutsche Zeitung auf der einen Seite, Präsident Beckenbauer, Matthäus und Bild auf der anderen.“
Der fromme Francesco
Sehr lesenswert! Francesco Totti bleibt in Rom – Dirk Schümer (FAZ 9.6.) schreibt, warum und blickt zurück auf Tottis Spuckattacke gegen den Dänen Christian Poulsen und seine Beichte: „Totti erwies sich auf dem Tiefpunkt als leidenschaftlich frommer Römer, indem er das Trikot des Spiels einer beliebten Wallfahrtskirche vor den Toren der Ewigen Stadt darbrachte – zusammen mit dem Schwur, es nicht wieder zu tun. Auch als Johannes Paul II. starb, fand sich der fromme Francesco zu Gebeten auf dem Petersplatz ein, schließlich schreibt er mit ortstypischem Aberglauben seine Karriere einer persönlichen Segnung durch den Pontifex vor zwanzig Jahren zu. Nun läßt sich solch römischer Katholizismus ebensogut als beständiges Ritual der Reue wie als feste Lizenz zum Sündigen deuten, denn niemand glaubt im Ernst, daß Totti sich durch den Segen der Kirche noch grundlegend wandeln könnte. So blieben denn auch nach der EM die rituellen Gebote großer internationaler Klubs auffällig aus, wohl weil man sich nirgendwo für viel Geld einen rauhbeinigen Exzentriker in den Kader holen wollte. Jahrelang hatte das große Kind Francesco, den sie in seiner Stadt zärtlich den „Pupone“ – das Riesenbaby – nennen, alle Verlockungen zur Abwanderung stets ausgeschlagen, wollte die leckere Pasta aus Rom partout nicht gegen den Nebel bei Chelsea London oder das galaktische Raumfahrtkommando von Real Madrid eintauschen. Doch was Fußballkenner als einen Verlust beklagen, dürfte den Ur-Römer Totti nicht reuen. Denn was ein echter Gladiator ist, der sieht im Rest der Welt nur fußballerische Provinz.“
Die Beckhams der Niederlande
Christian Görtzen (FAZ 9.6.) begrüßt Rafael van der Vaart in Hamburg: „Seit Jahrzehnten nicht mehr, genaugenommen seit der Vertragsunterschrift des Engländers Kevin Keegan 1977, sind an einen ausländischen Spieler derart hohe Erwartungen gerichtet worden wie jetzt an van der Vaart, die teuerste Neuerwerbung in der Vereinsgeschichte. (…) Nicht allein seine zeitweilige Stagnation und die Meinungsverschiedenheiten mit Ajax-Trainer Danny Blind ließen van der Vaart nach einem neuen Umfeld Ausschau halten. Vertrieben hat ihn aus seinem früheren Paradies vor allem das überbordende Medieninteresse an seiner Beziehung zu der vier Jahre älteren, bildhübschen Fernsehmoderatorin Sylvie Meis. Die „Beckhams der Niederlande“, als die sie bald galten, wurden immer wieder zur Zielscheibe von Verunglimpfungen.“