Deutsche Elf
Knöcherne Allianz aus Grantlern, Gurus und Gestrigen
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| Freitag, 10. Juni 2005Ludger Schulze (SZ 10.6.) gehen die Nörgler auf die Nerven: „Zehn Jahre lang verharrte die Nationalelf in Stagnation und verbreitete die Aura verzweifelter Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Inzwischen, nach einem knappen Jahr unter der Führung von Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff und Joachim Löw, spielt die Auswahl nach einem durchdachten Plan aus aggressivem Forechecking und mutigem Angriffsspiel. Die positive Atmosphäre in den Stadien dokumentiert das Erwachen eines Publikums, welches die Zeitenwende spürt. Wenn man nun das tadellose Auftreten des Teams außerhalb des Rasens hinzurechnet, müssten Kritiker und Konsumenten eigentlich… Stattdessen wird an den neuen Chefs herumgenörgelt, an ihren ungewohnten Trainingsmethoden, an der Loyalität mit den eigenen Spielern (siehe Lehmann), an ihrem Wohnort oder an ihrer überschwänglichen Rhetorik. Schwerer noch, als aus der Wüste eine blühende Fußball-Landschaft zu machen, ist es, die knöcherne Allianz aus Grantlern, Gurus und Gestrigen zu überzeugen.“
Fußballreformpaket noch nicht fertig
Was ist an dem 2:2 gegen Russland zu bemängeln, Christof Kneer (SZ 10.6.)? „Klinsmann ist ein Freund der Geschwindigkeit, und es kann ihm nicht gefallen, dass im Tempodrom Nationalmannschaft die ersten unfreiwilligen Stehversuche zu verzeichnen sind. Es kann ihm nicht gefallen, dass er vier Monate nach dem 2:2 gegen Argentinien nun das gleiche Spiel noch einmal erleben musste. Frech hat Klinsmann jene jungen Spieler erfunden, von denen alle dachten, dass es sie gar nicht gibt, aber er hat jetzt lernen müssen, dass er sich auf diese Mannschaft noch nicht so verlassen kann, wie er das gehofft hatte. (…) Ein Wunder ist es nicht, dass dieses Fußballreformpaket noch nicht fertig geschnürt ist, aber es scheint, als würde die Nation plötzlich jenes Tempo einfordern, das ihr anfangs selbst nicht geheuer war. „Klinsi, das war nix“, titelte Bild gestern.“
Reifeprozeß vor sich
Michael Horeni (FAZ 10.6.) hofft auf die Zukunft: „In der neuen Mönchengladbacher Heimat der ehemals berühmtesten deutschen Fußball-Fohlenzucht war deutlich zu erkennen, daß dieses von Klinsmann auf die nationale Dimension erweiterte jugendbewegte Fußballexperiment noch einen langen Reifeprozeß vor sich hat.“
Absichten und Worte
Michael Rosentritt (Tsp 10.6.) sorgt sich um die Verteidigung: „Klinsmann hat viele Symbole des Aufbruchs gesetzt. Im Augenblick aber bieten die guten Absichten und die starken Worte mehr Hoffnung und Halt als die deutsche Abwehr auf dem Rasen.“
of: Viel Kritik gibt es zurecht an den deutschen Abwehrspielern. Oliver Kahn hingegen, der beim 2:2 genauso jung wie seine Vorderleute aussieht, lebt weiter unter Artenschutz.
Verkörperung der Sehnsucht
Andreas Lesch (BLZ 10.6.) schreibt über den zweifachen Torschützen: „Bastian Schweinsteiger verkörpert die Sehnsucht nach dem schönen Spiel. Er drängt bedingungslos nach vorn, er kann nicht anders, er dribbelt, er sucht das Duell eins gegen eins – ein Künstler, wie ihn der deutsche Fußball schmerzlich vermisst. Er wirkt unbeschwert, ursprünglich, verspielt, wie die Straßenfußballer, die es eigentlich nicht mehr gibt. Er hat eine Geschichte, die sich verkaufen lässt: Er ist verletzt gewesen vor der Saison, er ist beim FC Bayern versetzt worden zu den Amateuren, er hat sich hochgekämpft und ist angekommen im Mittelfeld des deutschen Teams. Er ist wie geschaffen als Hoffnung für die WM.“
SZ: Schweinsteiger, Fußball mit einem Lächeln
Tsp: Podolski und Schweinsteiger stehen mit ihrer Unbekümmertheit für die Zukunft der Nationalmannschaft