Deutsche Elf
Staat im Staate
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| Donnerstag, 16. Juni 2005Markus Völker (taz 16.6.) begutachten die Klinsmann-Reform: „Mit Völlers Rücktritt ist auch der Kompromiss gegangen. Völlers Antagonist formt sich die Nationalmannschaft wie deren Umfeld nach seinen Vorstellungen – und diese lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Ein Staat im Staate des reformträgen DFB ist durch Klinsmanns Gestaltungswillen entstanden. Auch Völler hat wie einst König Pygmalion eine marmorne Statue angebetet, auf dass sie sich aus ihrer Starre löse, aber wo Völler bat, befiehlt Klinsmann; die Wandlung hat erst unter dem Transatlantikflieger stattgefunden. Der DFB bewegt sich – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber heißt das auch, dass Klinsmann den deutschen Fußball retten kann? (…) Bestand früher ein heißer Draht zum Boulevard, so wird unter Klinsmann auch für das Haus Springer die Information verknappt. Man will sich nicht ausliefern, nicht in die Fänge des Populären respektive Populismus begeben. Klinsmann, ein Mann mit Köpfchen, hat sich die aufgeklärte Presse als Verkündigungsmedium erwählt, auch hier zeigt er sein Profil. Die derart vergrätzte Bild-Zeitung wartet nur darauf, ihm eins auszuwischen.“
Verbale Narkosestrategie
Moritz Müller-Wirth & Christof Siemes (Zeit 16.6.) analysieren die interne und externe Kommunikation Klinsmanns: „Was am Anfang als moralische Aufrüstung nach der traurigen Europameisterschaft bestens geeignet war, Spieler und Öffentlichkeit positiv zu stimmen, passt nicht mehr. Jetzt muss die Strategie aufgehen. Jetzt geht es nicht länger um den weichen Faktor Stimmung, sondern um die harte Währung Leistung. Und viel Zeit ist nicht mehr, um aus hoffnungsfrohen Ansätzen eine WM-titelfähige Mannschaft zu machen. Zwar hat Klinsmann in Taktik und Fitness wirklich ernsthaft mit den Spielern gearbeitet – wohl als erster Bundestrainer seit vielen Jahren. Im Spiel gegen die Russen zeigte sich zudem, dass die Promotion der Jugend mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski jene Spielenergie entfacht, die einer deutschen Mannschaft seit Ewigkeiten fehlte. Doch das endlos beschworene Power-Play funktioniert bislang bestenfalls zweimal 25 Minuten. (…) Vielleicht handelt es sich bei Klinsmanns verbaler Narkosestrategie um einen Psychotrick aus dem Repertoire des neuen Mannschaftspsychologen Hans-Dieter Hermann. Was hilft es, wenn der Trainer öffentlich kritisiert? Ist es nicht besser, wenn die Spieler selbst bekennen? Nach dem Russland-Spiel jedenfalls erläuterten die Spieler sehr viel eindeutiger als ihr Trainer, dass der Gegner eigentlich besiegt gehört hätte. Klinsmann war zu diesem Zeitpunkt lange in den Katakomben verschwunden.“
FR-Interview mit Bernd Schneider