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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Wagemutig, fast übermütig

Oliver Fritsch | Freitag, 17. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Wagemutig, fast übermütig

Nach dem 4:3 gegen Australien – Stefan Hermanns (Tsp 17.6.) rückt die Kritik an der deutschen Abwehr zurecht: „Es ist erstaunlich, dass ein knappes Jahr ausreicht, um einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Offenbar kann der deutsche Fußball doch nicht nur defensiv. Im Zweifel spielt die Nationalmannschaft jetzt nach vorne. Ein weiteres knappes Jahr bleibt Klinsmann jetzt noch bis zur WM. Zeit genug, um das neue Design zu verfeinern. Zeit genug, um den ganzen Prozess wieder umzukehren, um die Mannschaft wieder ein bisschen weniger schweinsteigerisch auszurichten, dafür etwas hamanniger. Nach dem 4:3 gegen Australien kann man nicht ernsthaft behaupten, dass irgendetwas in diese Richtung deutet. Einiges aber spricht dafür. Wer so wagemutig, fast übermütig spielt wie die Deutschen gegen Australien, kann alles werden, aber ganz sicher nicht Weltmeister.“

Packend

Jens Weinreich (BLZ 17.6.) wünscht sich mehr Balance zwischen Angriff und Verteidigung: „Das Spiel der Nationalmannschaft ist packender geworden. Statt in unansehnlichen Disziplinen wie Balldrauftreten und Zeitlupenkicken (wie bei der EM 2004) bemüht man sich in anspruchsvolleren Übungen. Vier Tore gegen Australien und Nordirland, zwei gegen Russland sind das eine. Das andere sind sechs Gegentore in drei Spielen. Ein bisschen viel, wenn man bedenkt, dass ein von Rudi Völler dirigiertes DFB-Team mit nur einem Gegentreffer in das WM-Finale einzog. Daran zu erinnern, heißt nicht automatisch, dass man sich nach Rumpelfüßlern sehnt.“

Beladen

Michael Horeni (FAZ 17.6.) findet den Grund für die Nervosität der deutschen Elf: „Nachdem die bei der letzten Europameisterschaft ermattet zurückgebliebenen und danach mit amerikanischem Unternehmergeist wieder auf Trab gebrachten Deutschen erstmals die Übungswiese verließen, spürten sie sogleich die Beschwernisse, die selbst ein leichtgewichtiger Confederations Cup auf die Möchtegern-Weltmeister von morgen auszuüben verstand. Während die Australier, Argentinier und Tunesier diesen Wettbewerb ohne Traditionsbonus am ersten Tag entweder als Chance oder zumindest als Testlauf ohne Sorgen vor Konsequenzen begriffen, wirkten die Deutschen wie beladen von der selbst herbeigeredeten Bedeutung des Turniers.“

Wie eine Reise im Intercity

Ludger Schulze (SZ 17.6.) schildert die Zwiespältigkeit des Chronisten: „Man kann, wie Robert Huth, durchaus glückhaft-erleichtert sein über den letztlich gelungenen Einstand, genau so angebracht aber ist es, im Zorn auf dieses extrem wechselhafte Spiel zurückzublicken, wie Oliver Kahn es offensichtlich tat. Es war ein Spiel wie eine Reise im Intercity von Frankfurt nach Kassel; mitunter prescht der Zug mit reichlich Karacho souverän durch die mitteldeutsche Landschaft, dann, mitten auf der Strecke, stoppt die Lokomotive quälend lang wegen Gleisbauarbeiten, ehe sich der Triebwagen ruckelnd-zuckelnd wieder in Bewegung setzt, und am Ende ist man nur froh, am Zielort angekommen zu sein.“

Nicht frei von Sentimentalitäten

Die NZZ (17.6.) empfiehlt Klinsmann, seine Gunst zu Robert Huth zu prüfen: „Klinsmann muss nicht auf Loyalitäten Rücksicht nehmen. Aber er schafft sich neue. Die Debatte um die Defensive, geführt mit viel Furor, ist bloss ein Beispiel. Kaum einer steht in seiner Gunst höher als Robert Huth vom Chelsea FC, ein eher ungelenker Abwehr-Schrat: „Der hat doch ein unglaubliches Potenzial. Wir sind sehr glücklich mit seiner Entwicklung.“ Bei Tageslicht beschaut verursachte Huth zwei Gegentreffer des Ozeanienmeisters, der für gewöhnlich in der WM-Qualifikation am fünften Vertreter Südamerikas scheitert. Seit geraumer Zeit ist Huth nicht auf der Hut [of: Aua!]. Aber er hat einen Vertrag in Englands Premier League, wo er zwar selten spielt im Ensemble Mourinhos, wo aber auch der Bundestrainer einmal engagiert für Tottenham Hotspur kickte. (…) Auch Klinsmann ist nicht frei von Sentimentalitäten. Huth, eigentlich kaum mehr haltbar, nicht versiert genug für eine schnelle Spielöffnung aus dem Abwehrzentrum, wird wohl auch gegen Tunesien spielen, und natürlich wird die Abwehr wieder keine Schuld an Gegentreffern haben, solange die Deutschen denn gewinnen.“

FAZ-Spielbericht

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