Confed-Cup
Asyl
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| Sonntag, 19. Juni 2005Uwe Marx (FAS 19.6.) beschreibt den Status Otto Rehhagels: „Griechen gibt es auf der ganzen Welt, heißt es, und weil das so ist, gibt es überall viel Applaus, wenn die griechische Nationalmannschaft bei Auswärtsspielen vorgestellt wird. Und zwar in folgender Abstufung: lauten für normale Spieler wie Angelos Charisteas etwa, sehr lauten für besonders verehrte Spieler wie Kapitän Theodoros Zagorakis und alles übertönenden für Rehhagel. Der bald 67 Jahre alte Trainer des Europameisters genießt seit dem sensationellen Triumph in Portugal Kultstatus. Es ist fast so wie in seligen Bremer Zeiten: Rehhagel hat alle Freiheiten und den besten Verbündeten, den ein Trainer in dieser labilen Branche haben kann – Erfolg. Dieser hat ihn in Griechenland sakrosankt gemacht. Daran ändert auch der mißglückte Auftakt nichts, jenes deprimierende 0:3 gegen Weltmeister Brasilien. Rehhagel genieße nach dem finalen Coup von Lissabon Asyl in ihrem Land, sagen viele Griechen. Besser noch: Er selbst kann bestimmen, wann es ausläuft oder ob es verlängert wird – und wenn ja, wie lange.“
In einer anderen Welt
Brasilien schlägt Griechenland 3:0 – Michael Reinsch (FAZ 18.6.) schnalzt mit der Zunge: „Wer diesen Abend miterlebte, wird ein Gefühl haben, nach dem das WM-Motto umgekehrt war: Gewiß ist die Fußballwelt zu Gast in Deutschland. Doch diesmal war das Publikum zu Gast im Universum Futebol, wo Hochkultur mit dem Fuß gemacht wird: in einer anderen Welt.“
Gewalt, eine Kategorie der Schönheit
Javier Cáceres (SZ 18.6.) reißt die Augen auf: „Adrianos mächtiger Linksschuss aus 20 Metern zum 1:0 war der Beweis dafür, dass sogar schiere Gewalt eine Kategorie der Schönheit ist, wenn sie im kanariengelben Trikot der Brasilianer daherkommt.“
Mikrokosmos
Ingo Durstewitz (FR 18.6.), Europäer, schluckt und staunt: „Wer sich in den Irrglauben verrennt, dass da die beiden besten Mannschaften der Welt auf dem Rasen die Klingen kreuzten (Weltmeister gegen Europameister), der kann den alten Kontinent fußballerisch von der Landkarte streichen. Die 90 Minuten waren eine wunderhübsche Demonstration brasilianischer Fußballkunst, die Südamerikaner versprühten Magie und Zauber im Überschuss, und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass sie in ihrem eigenen Mikrokosmos mit dem Ball spielen, dann diente das Duell gegen die armen, stolzen Griechen dazu. Die waren ein Sparringspartner, ein Spielball, Klassen unterlegen.“
Triumph des Angriffsfußballs und des Einfallsreichtums
Uwe Marx (FAZ 18.6.) schwärmt: „Die Griechen mühten sich so, wie sie es am besten können und wie sie es im vergangenen Jahr beim Titelgewinn gegen die kontinentale Fußball-Elite vorbildlich gezeigt hatten: kratzbürstig, laufbereit, hartnäckig, sparsam, effektiv. Aber was nützt das alles, wenn auf der Gegenseite ein Offensivquartett Aufstellung nimmt, das sich bei fast jedem Angriff nur einigen muß, wer denn nun den nächsten Torschuß vornimmt. Vom bibergesichtigen Ronaldinho, dem jungenhaften Kaká und dem wuchtigen Adriano wußte man ja, was sie an guten Tagen können. Daß aber auch noch der junge Robinho kein Deut einfallsloser ist, stellte Griechenland endgültig vor unlösbare Probleme. (…) Es gab einen Triumph des Angriffsfußballs, des Einfallsreichtums und der technischen Überlegenheit zu bestaunen.“
In der NZZ (18.6.) lesen wir: „Ronaldo? Er wurde nicht vermisst, der schnellste Dicke des Planeten.“
Wir sind einfach nicht drangekommen
Wenn Journalisten Japans Nationaltrainer Zico etwas fragen, zuckt er meist mit den Achseln, stellt Matti Lieske (taz 18.6.) fest: „So geistsprühend und dynamisch der Brasilianer früher auf dem Spielfeld auch gewesen sein mag, so lethargisch und fad gibt er sich als Trainer. Hätte er so Fußball gespielt, wie er heute redet, wäre das zentrale Mittel seines Wirkens der Rückpass zum Torwart gewesen – und der wäre auch noch ungenau ausgefallen. Warum er so schweigsam war in den letzten Tagen, vermochte sich keiner der mitgereisten Reporter erklären, obwohl Japaner doch weltweit als Koryphäen auf dem Gebiet der Etikette und der verletzten Formen gelten. Es zeigt, das man Zico offenbar noch leichter auf den Schlips treten kann als einem gehobenen Höfling des Tenno. Nach dem 1:2 gegen Mexiko redete der 52-Jährige immerhin wieder, auch mit Japanern. Sie fragten viel, Zico antwortete relativ knapp, nur der japanische Übersetzer machte daraus Monologe, deren Wortschwall für einen ganzen Murakami-Roman ausgereicht hätten. Warum es häufig drei Spielern seines Teams nicht gelungen wäre, einen Mexikaner vom Ball zu trennen? „Das lag an den Mexikanern.“ Wieso seine Mannschaft so große Schwierigkeiten bei hohen Bällen hatte? „Wir sind einfach nicht drangekommen.““
Gebranntes Sonnenkind des Fußballs
Tunesien ist in besten Händen, meint Roland Zorn (FAZ 18.6.), nämlich in denen des ehemaligen Nationaltrainer Frankreichs: „Roger Lemerre gilt als unergründlich. Mal ist er schweigsam, mal plaudert er drauflos, mal wirkt er mißtrauisch, mal lächelt er sein Gegenüber wie einen Vertrauten an, mal scheint er unnahbar, mal sentimental. Vielleicht ist sich dieser französische Fußballehrer manchmal selbst ein Rätsel. Er, der schon im Schattenreich der fatal gescheiterten Trainer angekommen war, ist längst wieder ein wenn auch gebranntes Sonnenkind des Fußballs. (…) Alle Achtung also, Jürgen Klinsmann. Mag aus dieser Mücke auch auf die Schnelle kein Elefant werden, so besitzt Lemerre doch den Baukasten, aus dem sich die großen Fußball-Strategen dieser Welt bei ihren Erfolgsmodellen bedienen.“