Ball und Buchstabe
Mini-WM und Maxi-Verwirrung
Kommentare deaktiviert für Mini-WM und Maxi-Verwirrung
| Dienstag, 21. Juni 2005Christof Kneer (SZ 20.6.) klagt über das neue Abseits: „Man muss der Fifa wahrscheinlich dankbar sein, dass sie mit der neuen Regelauslegung für Chancengleichheit gesorgt hat. Ab sofort haben Experten und Laien ungefähr den gleichen Wissensstand: Was es mit dem Abseits auf sich hat, weiß jetzt keiner mehr so genau. Noch keine zehn Minuten lief das Eröffnungsspiel zwischen Argentinien und Tunesien, als plötzlich ein Argentinier klar im Abseits stehend zu einem Angriff aufbrach und nicht zurückgepfiffen wurde. Als er den Ball eingeholt hatte, passte er nach innen, worauf er plötzlich doch mit einem Fahnenschwenk des Assistenten bestraft wurde: Abseits. Ein paar Stunden später, beim Spiel der Deutschen gegen Australien, baute sich der Australier Emerton bei einem Freistoß so frech vor Oliver Kahn auf, dass der den Flug des Balles bestenfalls ahnen konnte. Abseits? Im Gegenteil: Freispruch. Emerton hatte den Ball nicht berührt. Es ist wohl keine Schande, die neue Regelauslegung nicht zu verstehen. Nicht mal die Schiedsrichter dürfen als textsicher gelten, wie der Fall Kahn beweist; auch nach der neuen Auslegung hätte diese Szene abgepfiffen gehört, weil Behinderungen des Gegenspielers auch weiterhin untersagt sind. Schon regt sich im Verborgenen Widerstand bei jenen, die die bizarre Regel künftig zur Anwendung bringen müssen. (…) So muss als erster Trend dieser zur WM-Generalprobe hochgewerteten Mini-WM eine Maxi-Verwirrung bilanziert werden.“
Passiv aktiv
Markus Völker (taz 20.6.) ergänzt: „Die Abseits-Neuerung ist revolutionär: Abseits ist, wer abseits steht, nichts anderes besagt die große Abseitsreform. Angeklagt wird nur noch jener Spieler, der aus dem Abseits heraus den Ball bekommt, den Torhüter behindert oder passiv aktiv wird, also wiederum den Ball erhält. Alles klar?“