Ball und Buchstabe
Der neue Ton
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| Mittwoch, 22. Juni 2005TV-Kritik – Michael Hanfeld (FAZ/Medien 21.6.) spricht uns aus dem Herzen [mir zumindest]: „In puncto Fußball sieht man mit dem Zweiten wirklich besser – als im miesepetrigen Ersten. Spiegeln die Mainzer doch viel adäquater, was die deutsche Herrennationalmannschaft sich leistet: eine Abwehr mit Löchern, aber vor allem einen Sturm mit Drang. Wer das am besten erkennt und spürbar mit Lust an der Sache dabei ist, ist – neben Johannes B. Kerner – Jürgen Klopp. Fachlich ausgewiesen, dabei verständlich formulierend, fröhlich und witzig tritt er als würdiger Anti-Netzer auf und zieht dabei sogar Urs Meier mit, der um der nichtalpinen Zuschauer willen vielleicht etwas weniger nuscheln sollte, dann wären seine Anekdoten noch anschaulicher wie jene von dem von ihm vor Jahren gepfiffenen Spiel zwischen Brasilien und Argentinien, bei dem er in der zweiten Minute schon ein Tor gab, das er vor allem dank der Bewegungen des Linienrichters als solches anerkannte. So erfuhren wir also etwas von der Angst des Schiris vor dem Pfiff. (…) Das ist der neue Ton im ZDF, den wir dem Spiel, um das es hier geht, für unbedingt angemessen halten. Mainz spielt jedenfalls augenblicklich in der ersten Liga und – ist sogar Tabellenführer.“
Kollektive Fluchtbewegung, untergründige Massenpanik
Trend Arena – eine semantische und architektonische Analyse von Dieter Bartetzko (FAZ 16.6.): „Seit der Antike werden die Begriffe Stadion und Arena synonym verwendet. Trotzdem deutet sich darin ein entscheidender Wandel an. Denn im allgemeinen Sprachgebrauch verbindet sich mit dem Wort Stadion die Vorstellung von fairen sportlichen Wettkämpfen, mit Arena dagegen verknüpft man die Gemetzel in den römisch-antiken Amphitheatern. Und daß im Lauf der letzten Jahre die Hooligans in Fußballern Gladiatoren und in Fußballspielen Schlachten auf Leben und Tod sehen, ist eine Binsenweisheit. (…) Doch es gibt noch eine Deutungsmöglichkeit der Allianz-Arena, die sie, stallvertretend für all die anderen Stadien, zum Manifest und Kronzeugen einer allgemeinen Stimmung macht, die alles andere als zukunftsfroh ist: Betrachtet man den Riesen aus der Vogelperspektive, zeigt er zoomorphe Züge. Man kann das Stadion mit einer Seeanemone vergleichen. Damit schließt der Riesenbau auf zu jener Stilrichtung, die derzeit unter den wechselnden Adjektiven biomorph und technoid als avantgardistisch Furore macht. Was sich in ihnen spiegelt, ist eine kollektive Fluchtbewegung, eine untergründige Massenpanik, die auf die aktuellen lokalen wie globalen Krisen so reagiert wie vor fast dreihundert Jahren die Bürger Europas auf ihre: mit einem sehnsüchtigen „Zurück zur Natur“. Zurück zur Natur aber, und zwar zur menschlichen, führt in all diesen Stadien nur eines: das Fußballspiel.“