Deutsche Elf
Größter Gewinn des Jahres
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| Donnerstag, 23. Juni 2005Michael Horeni (FAZ 23.6.) hört die Anfeuerung der Fans für Robert Huth und feiert Jürgen Klinsmann und die Nationalmannschaft nach dem 2:2 gegen Argentinien: „Die Rufe für Huth sind auch eine Volksabstimmung für den Erneuerungskurs des Bundestrainers und dessen Mut, auf junge, lernbegierige Spieler zu setzen, ihnen Fehler in ihrem Entwicklungsprozeß zu verzeihen und sie vor veröffentlichter Kritik entschieden in Schutz zu nehmen. Die Fortschritte der deutschen Mannschaft in Wochenfrist im allgemeinen, aber auch von Robert Huth ganz speziell machen wie im Zeitraffer die Veränderungsdynamik deutlich, die der Bundestrainer ins Werk gesetzt hat. (…) Auch wenn es nicht zum Sieg gegen Argentinien reichte – psychologisch gelang Klinsmann mit seiner Maßnahme, auf Ballack zu verzichten, ein Meisterstück. (…) Selten hat in der jüngsten Vergangenheit ein Spiel seinen Zweck so sehr erfüllt wie diese Partie. In einer Begegnung, in der es scheinbar um nichts mehr ging, ist Klinsmann und seinem Team der bisher größte Gewinn des Jahres geglückt.“
Tendenz günstig
Philipp Selldorf (SZ 23.6.) hingegen lobt nüchterner und rät Klinsmann und Löw zu Maß: „Die beiden Trainer verbreiteten eine derart gewaltige Menge Zuversicht und Zufriedenheit, dass man sich fragte, ob sie einige Tatsachen der Partie – vor allem Argentiniens Überlegenheit am Ball – bewusst ignorieren oder ob sie bloß ihrem Glaubensbekenntnis folgen wollten: Das Äußern von Zweifeln kommt darin nicht vor. Im Gegensatz zu Klinsmann und Löw waren die anderen, nämlich die beteiligten Spieler, überwiegend missmutig und zum Teil sogar ärgerlich über das Erlebte, weil sie gegen die Weltmacht Argentinien nicht gewonnen hatten. Mit Vermessenheit hat das gar nichts zu tun, nur mit der Sehnsucht, einmal eine anerkannte Größe besiegen zu wollen. Daraus spricht, bei allem gewachsenen Selbstvertrauen in der jungen Mannschaft, auch ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl, das inzwischen über Generationen von deutschen Fußballern vererbt worden ist. (…) Die deutsche Mannschaft offenbart weiterhin alle Möglichkeiten: Die zur Blamage und die zum Triumph. Die Tendenz aber ist, keine Frage, günstig.“
Unsägliche Lobpreisungen
Jens Weinreich (BLZ 23.6.) verzieht manchmal die Miene, wenn Klinsmann seine Spieler benotet: „Es wäre angenehmer, wenn er seine Arbeit nicht ständig mit unsäglichen Lobpreisungen garnieren würde, die auch bei der hundertsten Wiederholung nicht überzeugender werden. Vielleicht sollte es Klinsmann, der seinen Auserwählten ein Handbuch für den Umgang mit den Medien ausgegeben hat, mal mit einem Rhetorikkurs versuchen.“
Niveau nicht mehr nur im Konjunktiv oder im Futur
Dagegen übertrumpft Michael Horeni (FAZ 23.6.) jeden Beifall der Trainer: „Die ersten sechzig, siebzig Minuten lieferten den Qualitätsbeweis, daß auch der deutsche Fußball vom höchsten Niveau nicht mehr nur im Konjunktiv oder im Futur reden muß (…) Die Nationalmannschaft wirkte nach ihren mitunter mühselig bewältigten Pflichten gegen Australien und Tunesien von frischem Selbstbewußtsein wie durchdrungen. Nicht einmal der bewußt inszenierte Verlust ihres Kapitäns konnte diese junge Mannschaft daran hindern, ihre Grenzen gegen allererste Konkurrenz ein gutes Stück nach vorne zu schieben.“
Bildstrecke vom öffentlichen Training, faz.net