Interview
Du hast sowieso kein Talent
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| Freitag, 24. Juni 2005Per Mertesacker, Zivildienstleistender, mit Ludger Schulze & Philipp Selldorf (SZ 24.6.)
SZ: Wussten die Behinderten, dass Sie Fußballer sind?
PM: Einer von dreizehn. Die anderen hatten gar keinen Bezug zur Realität mehr. Wegen des Confed-Cups habe ich mich gar nicht richtig verabschieden können von der Station, aber nach dem Turnier werden wir noch eine kleine Feier mit Grillen machen. In dem Heim ist ja jetzt ein Hannover-Fanklub gegründet worden. Auch für einige der Behinderten kann der Fußball das Leben bereichern.
SZ: Glauben Sie, dass die Arbeit mit diesen Kranken eine bleibende Erinnerung sein wird?
PM: Schon, ich kann das gar nicht mehr vergessen, dazu waren die Eindrücke zu stark.
SZ: Kommen wir mal zum Sportlichen. Es gibt die deutsche Tradition der Vorstopper: Förster, Kohler, Buchwald. Sehen Sie sich in dieser Tradition?
PM: Ich habe noch nie in Erwägung gezogen, nach irgendwelchen Parallelen zu suchen. Ich hatte auch nie ein großes Vorbild, weil bei mir gar nicht abzusehen war, dass es mal so nach oben geht. Als Jugendlicher war ich Fan von Schalke 04 und Hannover 96, nebenbei ein bisschen Gymnasium, ein bisschen Fußball, mehr war da nicht.
SZ: Sie haben nicht die typische Nationalspieler-Laufbahn durchlebt in all den Jugend-Auswahlmannschaften?
PM: Nein, gar nicht. Das war auch gut so. Um mich herum war nicht dieses Fieberhafte, auch von den Eltern her, nicht dieses Muss mit 14, 15 Jahren. Ich war immer zweite Mannschaft, in der C und auch in der B-Jugend bei 96. Als C-Jugendlicher hatte ich Probleme mit meinem Wachstum, das hat mich aus dem Konzept gebracht. Zu langsam, zu unbeweglich, das waren die beiden Wörter, die ich öfter gehört habe. So hatte ich auch neben der Schule noch ein bisschen Freizeit. Das hat geholfen, nicht zu früh verheizt zu werden. Die Entwicklung kam im richtigen Moment, mit der Einführung der Viererkette. Dann stand ich dann da und bin geblieben.
SZ: Sie hatten immer diese Position?
PM: Nö, mal so, mal so. Keiner wusste so recht, wo und warum ich spiele. Sie haben gesagt, du hast sowieso kein Talent, du schaffst es nie.
Diese neue Form verunsichert alle
Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell mit Heinz-Wilhelm Bertram (FTD 24.6.) über das neue Abseits
FTD: Im Confederations Cup wird Abseits erst geahndet, wenn der im Abseits stehende Spieler den Ball berührt. Ist das gut so?
MA: Nein, es ist Humbug. Da läuft ein Spieler bei 35 Grad 50 Meter einem Steilpass hinterher, damit erst in dem Moment, da er den Ball berührt, die Strafbarkeit eintritt. Und damit ihm ein Verteidiger womöglich noch die Knochen poliert hat. Diese Neuerung ist ein zusätzliches Laufprogramm, mehr nicht.
FTD: Hat sich der Inhalt der Regel denn nicht verändert?
MA: Eben nicht. Was sich geändert hat, ist allein, dass sich die Abseitsbewertung räumlich verschoben hat.
FTD: Die Fifa will die Fehler bei Abseitsentscheidungen reduzieren.
MA: Was sie todsicher nicht schaffen wird. Denn der Wahrnehmungsfehler von Schiedsrichtern oder Assistenten wird immer bleiben. Im Spiel Japan gegen Brasilien war das gut zu beobachten: Da verhinderte die neue Handhabung nicht, dass die Schiedsrichter den Japanern ein lupenreines Tor wegen angeblicher Abseitsstellung versagten. Dieser Fall verdeutlicht die eigentliche Problematik der neuen Handhabung: Nach der alten Praxis wäre das Tor gar nicht gefallen (…) Man muss sich nur vorstellen, in der Champions League sprintet in der 90. Minute ein abseits stehender Spieler der Heimmannschaft 40 Meter einem Ball nach und erzielt mit dem ersten Kontakt ein Tor. Was dann aberkannt wird. Nicht auszumalen, was das für Aggressionen schafft. Und es gibt hinreichend Spielsituationen, die dazu führen können. Ganz realistisch ist, dass ein abseits stehender Stürmer einem Steilpass nachläuft – und vom Torhüter gefoult wird, noch ehe er den Ball berührt. Der Torwart bekommt dann die Rote Karte für einen Vorgang, zu dem es gar nicht mehr hätte kommen dürfen.
FTD: Wird der DFB diese Fifa-Praxis in Deutschland umsetzen?
MA: Nein. Diese neue Form verunsichert alle: die Schiedsrichter, die Spieler, die Zuschauer.