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Interview

Der Trainer läßt sich von außen nichts diktieren

Oliver Fritsch | Mittwoch, 29. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Der Trainer läßt sich von außen nichts diktieren

Jürgen Klinsmann mit Michael Horeni (FAZ 29.6.)
FAZ: Sie lesen gerade die Gazetta dello Sport. Sind denn auch die italienischen Taktik-Experten mit der Entwicklung der deutschen Mannschaft einverstanden?
JK: Die Italiener analysieren ein Spiel immer sehr gut, besonders das taktische Verhalten, und da bescheinigen sie uns einen großen Entwicklungsprozeß. Sie analysieren aber auch die einzelnen Spieler sehr genau, schreiben Seiten über Seiten über das Spiel, aber sie bleiben immer nur beim Fußball.
FAZ: In Deutschland ist das etwas anders, oder hatten Sie das etwa vergessen?
JK: So ein Turnier bringt ja viele Erkenntnisse mit sich. Zu sehen, wie die Mannschaft mit den extremen Einflüssen von außen zurechtkommt, ist sicher sehr wichtig. Teile der Medien haben wirklich versucht, starke Unruhe in die Mannschaft hineinzutragen. Das ging schon bei unserer Partie in München los, bei dem die Nationalmannschaft gegen den FC Bayern ausgespielt werden sollte. Das Team hat in diesen Wochen ein Wechselbad der Gefühle miterlebt. Trotzdem hat bei uns aber niemand den Koller bekommen, die Atmosphäre war von Anfang an harmonisch, locker und leistungsorientiert. Wir hatten alle das Ziel, perfekt zu arbeiten. Aber dann wird man mit dem extremen Pessimismus aus bestimmten Medien konfrontiert, die darauf lauern, ob nicht doch etwas passiert und einem die Galle überläuft. Die Mannschaft ist ruhig und sachlich geblieben und hat sich immer an den sportlichen Fragen orientiert. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis aus diesem Turnier mit Blick auf die WM. In Deutschland wird immer versucht, Konfrontationen zu schaffen. Das ist schade, aber wir können es nicht ändern.
FAZ: Manche in Ihrem Umfeld meinen beobachtet zu haben, daß Sie die Boulevard-Kritik irritiert und auch sehr geärgert hat. Waren Sie von den Angriffen ein bißchen entwöhnt in Amerika?
JK: Meine gute Laune habe ich deswegen nie verloren. Aber es ist wichtig, daß die Leute, die in der Verantwortung stehen, sich nicht alles gefallen lassen. Es geht hier um eine Frage des Respekts.
FAZ: Sie meinen die Boulevard-Kritik gegen Australien an Huth oder an Lehmann in München?
JK: Das ist ein gutes Beispiel. Aber auch die Kritik an Hitzlsperger. Oder wie die Nationalmannschaft als Gegner des FC Bayern beurteilt wurde, das alles war respektlos. In diesen Momenten ist es wichtig, daß sich die Mannschaftsleitung hinstellt und sagt: „Jetzt reicht’s.“ Wir können die Arbeit mit den Medien auch ändern und zurückschrauben. Das hat nichts damit zu tun, daß wir eingeschnappt wären. Das hat etwas mit Konsequenz zu tun. Wie überall im Leben ist es ein Geben und Nehmen. Unsere Mannschaft gibt enorm viel. Wir versuchen alle, aus uns das Beste herauszuholen. Aber wenn man immer nur gibt und gibt – und es kommt nichts außer Respektlosigkeiten zurück, dann ist es auch für die Spieler wichtig, daß sie sehen: Die Mannschaftsführung läßt sich nicht alles gefallen. Vielleicht werden meine Möglichkeiten von den Boulevard-Medien in dieser Richtung noch unterschätzt. Schon früher konnte ich, wenn es zuviel wurde, für mich sagen: Basta, es reicht. Jetzt kann ich es für alle sagen. Das wollen wir nicht, wir wollen eine respektvolle Partnerschaft mit allen. Aber an der Nase lassen wir uns nicht herumführen. (…) Die Spieler sollen wissen: Der Trainer läßt sich von außen nichts diktieren. Wenn ein Tim Borowski oder ein Patrick Owomoyela nicht zum Zug kommen, dann wissen sie, daß ihnen ein Quentchen Leistung fehlt, um einen anderen Spieler zu verdrängen. Und sie wissen auch, daß bei uns niemand in die Mannschaft hinein- oder herausgeschrieben werden kann.
FAZ: Das war schon mal anders.
JK: Allerdings. Da wurde erfolgreich Stimmung gemacht, bei uns funktioniert das nicht.

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