indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Wo sind die Per Mertesackers der Politik?

Oliver Fritsch | Mittwoch, 29. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Wo sind die Per Mertesackers der Politik?

Wird Jürgen Klinsmanns Reform Land, Volk und Politik beflügeln? Sven Goldmann (Tsp 29.6.) zweifelt: „Es gibt keine Wechselwirkungen zwischen erfolgreichem Fußball und erfolgreicher Politik. Eine fröhliche Grundstimmung durch gewonnene Spiele gibt den Bürgern weder mehr Vertrauen in den Staat, noch nimmt es diesem die Verantwortung zur Gestaltung ab. Andernfalls wäre Brasilien längst Export- und Importweltmeister in einem. Und doch lohnt es sich zu vergleichen, was dieser Klinsmann besser macht als die Politik. Sein Erfolg basiert keineswegs auf der Kunst des Schönredens, wie seine Kritiker gerne suggerieren. Schlechte Fußballer spielen nicht dadurch besser, dass man ihnen eine nicht vorhandene Qualität vorgaukelt. Klinsmann hatte einfach den Mut, sich der Wirklichkeit zu stellen, Konsequenzen daraus zu ziehen und entsprechend zu handeln. Und das in der gebotenen Radikalität, ohne sich von den Kritikern beirren zu lassen. (…) Wo sind die Per Mertesackers der Politik, wo jagen sie den zweiten Bällen nach?“

Statist

Markus Völker (taz 29.6.) übernimmt die Perspektive des Stadionzuschauers: „Die Mini-WM ließ ahnen, welche Vereinnahmung, politisch, kommerziell, medial, dem gemeinen Bürger in einem Jahr ins Haus steht. Der Fan durfte sich in der heilen Welt der Fifa schon einmal als Statist einrichten, das labbrige Bier des Sponsors genießen. Er durfte die schöne Erfahrung der Normierung im großen Maßstab machen. Dafür gibt eine fußballbegeisterte Familie gern mal 400 Euro für ein rundum betreutes Match aus. Und natürlich verzichtet der Fan angesichts dieses Schnäppchens, einnehmend freundlicher Ordner und deutscher Lebensart gern auf ein öffentliches Training des DFB-Teams. Ersatzweise ist dafür per Fernglas Franz Beckenbauer, Otto Schily oder Angela Merkel auf der Haupttribüne zu besichtigen. Und natürlich vergisst er, dass seine Steuerzahlungen zum Bau der Arenen beigetragen haben. Das geht auch ganz leicht. Hat Schily nicht gesagt, die WM bringe 3 Milliarden Euro plus? Da wollen wir nicht jammern, sondern uns ganz doll freuen auf das große Glück, das uns bald heimsucht.“

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

106 queries. 0,587 seconds.