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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Das ist mein Stil

Oliver Fritsch | Donnerstag, 30. Juni 2005 Kommentare deaktiviert für Das ist mein Stil

Sebastian Deisler mit Philipp Selldorf (SZ 30.6.)
SD: Training ist wichtig. Gerade für mich. Durch die lange Zeit, die ich weg war, muss ich mich wieder rankämpfen. Aber nur im Training geht das nicht, Spielpraxis lässt sich nicht simulieren. Obwohl es die Trainingsspiele bei Bayern in sich haben. Die sind manchmal härter als die Bundesligaspiele, man muss sich durchboxen. Aber hier beim Confed-Cup ist das noch mal was ganz anderes. Wenn dann plötzlich so ein Riquelme vor dir steht…
SZ: Sie haben Juan Riquelme beobachtet während des Spiels?
SD: Klar. Und da staunt man auch gerne. Was für Bewegungen er drauf hat, seinen 360-Grad-Blick. Irgendwie spürt er, wo sich seine Gegenspieler befinden. Wenn drei oder vier Mann um ihn herum sind, weiß er ganz genau, in welche Richtung er gehen muss, wo er antäuscht und dann vorbeigeht. Im Spiel gegen uns hat er keinen einzigen 100-Prozent-Sprint gemacht. Aber er war ständig präsent. (…)
SZ: Spielt die aktuelle Nationalelf einen Stil, der Ihnen mehr liegt als der Stil, der früher dort galt?
SD: Auf jeden Fall. Ich bin ja nun schon länger dabei, ich kann das – mit Abstrichen – vergleichen. Bei der EM 2000, da hatten wir noch einen ganz anderen, trägen Stil gehabt. Unter Rudi Völler haben wir anschließend zwar nicht schlecht gespielt, aber heute agieren wir klarer, aggressiver, mit deutlichen Vorgaben und mit Risikobereitschaft nach vorne. Das ist auch mein Stil.
SZ: Wie werden diese Vorgaben vermittelt?
SD: Mit ganz klaren Ansagen. Wie Jürgen Klinsmann und Joachim Löw die Spiele bis ins Detail analysieren, bis der Kern herauskommt, ist phantastisch.
SZ: Löw redet manchmal über das Spiel wie ein Dozent von der Fußballakademie. Wie kommt das bei Ihnen an?
SD: Sehr gut. Die Sitzungen sind nicht so lang, aber treffend. Wirklich: Sie machen da einen Super-Job. Auch Urs Siegenthaler, der die Gegner beobachtet und auswertet. Da wird so lange analysiert, bis wirklich etwas Konkretes vermittelt und gesagt werden kann: Ja, so ist es! Er hat ja auch unser Spiel gesehen (gegen Tunesien) und uns seine Beobachtungen mitgeteilt. Das hat der Mannschaft sehr viel gebracht. Gegen Argentinien konnte jeder sehen, dass sich etwas verändert hat.

FR-Interview mit Joachim Löw
Welt-Interview mit Jürgen Klinsmann
FAZ-Interview mit Zé Roberto über Gastgeber Deutschland

Die Großen müssen den Kleinen abgeben

Wilfried Straub mit Thorsten Jungholt (Welt 29.6.) über seinen Abschied als DFL-Geschäftsführer
Welt: Sie haben ab 1969 die Liga professionalisiert, Kritiker sagen: kommerzialisiert. Wo sind die Grenzen?
WS: Der Fan, der ins Stadion kommt, ist unser wichtigstes Pfund. Ich predige den Klubs immer: Ohne den Fan im Stadion, der dem Verein kostenlos die Choreographie schreibt, fehlt dem Erlebnis Fußball ein ganz wesentlicher Teil. Das ist die Grenze. Aber durch die Kommerzialisierung hat der Fußball als Massenbewegung auch ein neues Gesicht bekommen. Er ist Event geworden, hat sich neue Schichten erschlossen, ist in der Breite gesellschaftsfähig geworden. Heute gehen Menschen zum Fußball, die früher die Nase gerümpft haben. Auch das sind Folgen der Vermarktung.
Welt: Was war die größte Enttäuschung in Ihrer langen Karriere? Und worauf sind Sie besonders stolz?
WS: Das hängt zusammen. Die größte Enttäuschung war der Bundesligaskandal. Aber auch der Gang einiger Vereine unter Führung des FC Bayern nach Brüssel im Zusammenhang mit der zentralen Vermarktung hat mich betroffen gemacht. Ich schätze das Management der Bayern sehr, gerade deshalb war ich so enttäuscht. Stolz bin ich im Umkehrschluß, weil ich mich nie von jemandem abhängig gemacht habe. (…)
Welt: Die großen Klubs möchten den Verteilerschlüssel der Fernsehgelder zu ihren Gunsten ändern. Droht die Solidarität in der Liga verloren zu gehen?
WS: Beim Geld hört die Freundschaft auf. Aber auch wenn Solidarität von Herrn Rummenigge mittlerweile als Schimpfwort bezeichnet wird, ich bleibe dabei: Die Liga ist geschaffen für „Sozialismus“, die Großen müssen den Kleinen abgeben, damit der Wettbewerb auf Dauer funktioniert. Ich habe Verständnis, daß jeder zunächst seine Position bezieht. Das Ergebnis aber muß nicht einem, sondern allen gerecht werden.

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