Bundesliga
Neue Phantasie
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| Dienstag, 2. August 2005Michael Ashelm (FAS 31.7.) blickt auf die neue Saison: „Hohe Erwartungen lasten auf der neuerlichen Inszenierung des Bundesligafußballs 2005/2006. Die Vereine müssen sich ihrem Verliererimage stellen und beweisen, daß sie unter fast perfekten Rahmenbedingungen ein attraktives Unterhaltungsprogramm auf die Beine stellen und über die deutschen Grenzen hinaus dem globalen Vergleich standhalten. Zudem rückt die Weltmeisterschaft als ultimativer Kraftakt immer näher, der vielen Beteiligten schon jetzt besondere Konzentration abverlangt. Nicht wenige sehen deshalb nach dem Frühlingserwachen der Nationalkicker während des Confederations Cup das System Klinsmann als Maßstab und Vorbild für die Liga. (…) Die Bundesliga in der Bringschuld – wie schnell sich die Perspektive doch ändert. Dabei ist festzustellen, daß nach mageren Jahren gerade diese WM-Saison an den verschiedenen Fußballstandorten des Landes neue Phantasie entfacht. Bevor der Anpfiff für das Eröffnungsspiel erfolgt, ist von Rekorden die Rede. Die Bundesliga boomt. Der Ball wird durch die modernsten Fußballarenen der Welt rollen, selbst die drei Aufsteiger aus Frankfurt, Köln und Duisburg bieten ihrer Kundschaft alles andere als ein altes, zugiges Stadionoval. Der Zuschauer nimmt das Angebot trotz schlechter Erfahrungen in jüngster Vergangenheit gerne an und treibt in diesen Wochen den Dauerkartenverkauf in neue Höhen.“
Wie wär’s mal mit Zuversicht?
Wolfgang Hettfleisch (FR 1.8.) mahnt zu Maß: „Die Bundesliga ist nicht so gut, dass man jubeln müsste, und nicht so mies, wie manche sagen. Sie erzielt im Vergleich der großen europäischen Ligen bescheidene TV-Erlöse, die größten Stars spielen woanders. Die Bundesliga hat an Boden und Ansehen verloren. Nun also auch noch im Fußball „the german desease“, die deutsche Krankheit? Wie wär’s zur Abwechslung mal mit ein wenig Zuversicht? Wer will schon italienische Verhältnisse oder Mäzenaten-Fußball á la Chelsea oder Manchester United? Liga und Klubs sollten die neue, weniger exponierte Rolle fürs Erste annehmen. Warum nicht mal der Underdog sein? Es gibt doch keine Kleinen mehr.“
WamS: Die anstehende WM beflügelt die Branche, aber Manager warnen vor der Zeit danach
Bei einer Bank arbeite ich nicht
Bernd Müllender (taz 2.8.) wundert wich über Kölner Zurückhaltung: „Christoph Daum war dieser Tage mit Fenerbahce Istanbul zum Freundschaftsspiel in Köln und hat ein wenig geplaudert, warum er, „der Wunschtraum“ (Wolfgang Overath), doch nicht Trainer geworden ist. Nämlich: weil seine Konzepte der FC-Führung zu teuer erschienen seien. „Wenn das Aber dominiert“, sagte Daum, „dann trittst du auf der Stelle. Die wirtschaftliche Gesundung hat die sportliche Perspektive dominiert. Und da hab ich gedacht: Nöö, bei einer Bank arbeite ich nicht.“ Nun muss man bei Daum’schen Erzählungen immer vorsichtig sein, aber seine Ablehnung deutet eine Sensation an: Der notorisch größenwahnsinnige FC macht tatsächlich einen Abstecher in die Realität. Auch Overath spricht jetzt davon, dass man erst in vier Jahren „vorne dabei sein“ will. Sonst wurde bei jedem Wiederaufstieg eine baldige Europacup-Teilnahme als quasi gottgegeben versprochen.“
Die Galionsfigur und der Schüchterne
Oliver Trust (FAZ 2.8.) vergleicht Jon Dahl Tomasson mit Jesper Grönkjaer: „Die beiden Neuen könnten trotz gemeinsamer Herkunft unterschiedlicher nicht sein. Da Tomasson, der mit einer unerschrockenen Selbstverständlichkeit nach drei Jahren AC Mailand von der Champions League predigt und bereitwillig eine Führungsrolle in Stuttgart ausfüllt. Dort der schüchtern wirkende, überaus sensible Grönkjaer, ein 27 Jahre alter Flügelstürmer, der innerhalb einiger Monate bei drei Vereinen unter Vertrag stand und oftmals als labil beschrieben wird. So wird im Land der spärlich gesäten Fußballhelden vor allem der 28 Jahre alte Tomasson zur Galionsfigur erhoben, weil er es nach wechselhaftem Karrierestart in Newcastle bis zum AC Mailand nach Italien schaffte.“
Euphorie
Christoph Biermann (SZ 2.8.) befasst sich mit dem MSV Duisburg: „Es ist eine Stimmung entstanden, die mit einem Wort zu fassen ist, das in Duisburg lange wie eines aus einer versunkenen Sprache erschien: Euphorie. 12 000 verkaufte Dauerkarten mögen im Vergleich mit anderen Bundesligaklubs nicht sonderlich erwähnenswert scheinen, beim MSV jedoch bedeuten sie Vereinsrekord. Die Logen und Business Seats in der neuen MSV-Arena sind ausgebucht, nur zwei Logen sind noch für das Unternehmen freigehalten, das sich zum Kauf der Namensrechte durchringt. Das im Laufe der letzten Spielzeit fertiggestellte Stadion erweist sich aber nicht nur als Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs. (…) Mit der neuen Arena und der Rückkehr in die Bundesliga ist die jahrelange Entfremdung zwischen dem Team und seinen Anhängern beendet. Für einen altgedienten MSV-Profi wie Carsten Wolters war es fast ein Kulturschock, als die Mannschaft nach ihrer Heimkehr vom aufstiegentscheidenden Sieg in Frankfurt nachts um drei Uhr von zehntausend Fans begrüßt wurde. Gefeiert wurde selbst Trainer Norbert Meier, der im Januar 2003 gekommen war und sich die ersten anderthalb Jahre lang von den Rängen den Wunsch nach seiner Entlassung anhören musste.“