Bundesliga
So darf es nicht weitergehen
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| Freitag, 5. August 2005Vor dem Saisonauftakt – Matti Lieske (FTD 5.8.) schüttet Wasser in den Wein: „Die Ansprüche an die Bundesliga sind klar: Eine harmonische und euphorisierende Ouvertüre zur großen Fußballoper soll sie werden. (…) So wie die Prognosen einer durch die WM aufblühenden Wirtschaft mit Zehntausenden von neuen Arbeitsplätzen auf äußerst wackligem Untergrund angesiedelt sind (sie stammen von der Bundesagentur für Arbeit), so wie die Rechnungen eines satten Gewinns aus der WM-Ausrichtung trügen (sie ignorieren die gigantischen Aufwendungen für die Infrastruktur) – so liegt auch der Hoffnung auf eine packende Spielzeit mit hochklassigem Fußball und einer erfolgreichen Europacupkampagne der Klubs als Dreingabe eine gehörige Portion Wunschdenken zu Grunde. Wir erinnern uns: Die letzte Saison endete ganz plötzlich etwa acht Spieltage vor Schluss, und es war so, als würden in einem zweistündigen Western nach anderthalb Stunden alle tapferen Helden an einer Fischvergiftung sterben, und die restliche halbe Stunde sähe man den Schurken mit fetter Beute in den Sonnenuntergang reiten. Während die Verfolger sämtlich auf die Knie fielen und um Gnade winselten, gewannen die Münchner Bayern ihre Spiele nach Belieben, zogen einsam ihre Kreise und waren vier Tage vor Saisonschluss deutscher Meister. Dass sie lange Zeit den Konkurrenten mühselig hinterhergehinkt waren, hatte man da längst vergessen. Weil auch der Abstieg früh entschieden war, trudelte die Liga einfach aus, Spannungsfaktor null. Der Europacup fand zu diesem Zeitpunkt schon ewig ohne deutsche Beteiligung statt, was ein weiteres Sinken in der europäischen Rangliste mit sich brachte und den Verlust des dritten Champions-League-Platzes näher rücken ließ. Dass es so nicht weitergehen darf, darüber sind sich alle einig.“
Alle gegen die Bayern
Auch Peter Heß (FAZ 5.8.) ist skeptisch, hegt aber eine Hoffnung: „Seit der Confederations Cup einen Vorgeschmack auf das Treffen der besten Fußballspieler der Welt im Sommer 2006 gegeben hat, ist der Begriff Fußball nur noch positiv besetzt. Die Welt zu Gast bei Freunden – der Slogan für die WM ist verinnerlicht. Die Bundesliga profitiert schon von der Partystimmung im Lande. Fast überall werden Dauerkartenrekorde gemeldet, manche Klubs brechen den Vorverkauf ab, damit im Laufe der Saison wenigstens ein paar kurzentschlossene Fans die Chance haben, Tickets an der Tageskasse zu erwerben. Der Ligapokal, dieser früher belächelte, jetzt zur bedeutungsvollen Ouvertüre hochstilisierte Testspielwettbewerb, feierte fröhliche Urständ. Wenn da die Vorfreude mal nicht enttäuscht wird mitten im Alltag. Wieso in aller Welt sollte die 43. Bundesligasaison so viel besser werden als die 42., nur weil an deren Ende die WM-Endrunde in Deutschland stattfindet? (…) Aber hoffen wir mal, daß Kuranyi, Ernst, Bajramovic und Larsen in Königsblau genauso gut spielen wie bei ihren früheren Vereinen. Dann kann Schalke den Titelverteidiger aussichtsreich herausfordern. Und darin liegt nun mal der Reiz der Bundesliga – alle gegen die Bayern.“
Arrangiert mit der Dominanz der Münchner
Richard Leipold (FAZ 5.8.) gibt zu bedenken: „Die Lage in der Bundesliga erinnert ein wenig an die Schulzeit. Der Lehrer stellt eine schwierige Frage, und niemand zeigt auf. Die einen fühlen sich nicht angesprochen, andere halten sich bedeckt, um eine Blamage zu vermeiden. Aber wie lautet die Masterfrage, die vor der 43. Saison sogar dem Leistungskurs Fußball in der deutschen Eliteklasse Unbehagen bereitet? Es ist eine ganz einfache Frage: Wer traut sich zu, die Bayern zu verfolgen und ihnen den Meistertitel abzujagen? Die Antwort ist Schweigen. Es mag ein paar Mannschaften geben, die den Münchnern gefährlich werden könnten. Aber sie schleichen sich lieber von hinten an, als dem Rekordmeister (verbal) die Stirn zu bieten. Vor dem Saisonstart ist keine richtige Wechselstimmung auszumachen. Die Mehrheit der Trainer sieht den FC Bayern auf seinem Stammplatz an der Spitze; bei den Fans scheint die Stimmung ähnlich zu sein. Handelnde und nichthandelnde Personen haben sich offenbar mit der Dominanz der Münchner arrangiert.“
Bei Lachsschnittchen und Sekt lassen sich schwache Spiele leichter verdauen
Udo Muras (Welt 5.8.) erklärt die große Nachfrage nach Tickets: „Der Zuschauer entscheidet offenbar immer weniger nach sportlicher Leistung, dafür immer mehr nach Komfort. Die Verpackung läuft dem Inhalt den Rang ab. „Unsere Stadien bieten einfach mehr, der Wohlfühlfaktor ist anders als früher“, sagt Kölns Manager Andreas Rettig, Frankfurts Bruchhagen erwähnt zusätzlich den „hohen Sicherheitsstandard“ in den Stadien. Im übrigen gebe es „im Freizeitbereich keine Alternative zum Fußball“. Auch wenn die Branche damit leben müsse, daß das fachkundige Publikum der Siebziger und Achtziger den Wertewandel der Bundesliga nicht überstanden hat. „Die haben noch genau gewußt, daß der Koslowski nur mit links flanken kann. Das ist bei dem heutigen Publikum nicht mehr so. Aber alle wollen das Event“, sagt Bruchhagen. Das für die VIPs in den exklusiven Logen, auf die kein Verein mehr verzichten kann, noch ein wenig genußvoller ist. Bei Lachsschnittchen und Sekt lassen sich schwache Spiele leichter verdauen.“
NZZ: Bundesliga zwischen hohem Zuschauerzuspruch und mässiger Qualität
Bildstrecke zum Saisonauftakt, faz.net