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Internationaler Fußball

Eine Nation atmet auf

Oliver Fritsch | Mittwoch, 17. August 2005 Kommentare deaktiviert für Eine Nation atmet auf

Zinedine Zidane, der Protagonist des multikulturellen Frankreichs, kehrt zurück ins Nationalteam – Jürg Altwegg (FAZ 17.8.) befasst sich mit dem Hintergrund: „Als die WM 2002 begann, trugen die Franzosen in der Adidas-Werbung den zweiten Stern für die erfolgreiche Titelverteidigung. Die Strafe für die Überheblichkeit fiel fürchterlich aus: ‚les Bleus’, die kein einziges Tor schossen, schieden in der ersten Runde aus. Die französische Gesellschaft erlebt in der Folgezeit dramatische Verwerfungen. Das Musterland der Integration muß das ‚Kopftuch-Verbot’ erlassen; der Hitzesommer 2003 fordert 16000 Tote; trotz des Widerstands gegen den Irak-Krieg werden in Bagdad französische Journalisten entführt. Und einer Niederlage folgt die nächste Demütigung: erst das ‚Non’ bei der Abstimmung über die Europa-Verfassung, dann die Vergabe der Olympischen Spiele an London, der Favorit Paris fällt durch. Die Irrungen der Politik und der internationale Prestigeverlust blieben nicht ohne Wirkung auf die Fußballspieler. In den ersten Qualifikationsspielen für 2006 verloren die Franzosen gegen die Außenseiter Schweiz, Irland und Israel wichtige Punkte. In drei Heimspielen kein einziges Tor. Die Spieler wurden ausgepfiffen. (…) Es ist Zidane gelungen, den Mythos noch vor dem ersten Kick im blauen Dress zu erneuern. Weit über den Fußball hinaus. Frankreich schöpft Hoffnung, eine Nation atmet auf.“

Scheinwelt

Rod Ackermann (NZZ 17.8.) gibt zu bedenken: „Zidane als Zugpferd nötig hat nicht allein die mühsam um eine Qualifikation für die WM-Endrunde kämpfende Equipe de France, sondern auch die Gilde kommerzieller Sponsoren. So lancierte am gleichen Tag, als Frankreichs zweitbeliebteste Sportpersönlichkeit (gemäss einer Umfrage führt nach wie vor der Tennis-Altstar Yannick Noah) seine Rückkehr in die Nationalmannschaft verkündete, das Kommunikationsunternehmen Orange einen offensichtlich bestens vorbereiteten Werbefeldzug mit dem Slogan: ‚Du hast uns so sehr gefehlt!’ Gleichzeitig freute sich Adidas, der andere grosse Vertragspartner, auf den neu in Schwung kommenden Absatz Zehntausender von blauen Nationaltrikots mit den drei Streifen und dem Schriftzug ‚Zidane’. Doch die Scheinwelt der Werber ist das eine, die Realität des Sports etwas anderes. (…) Raymond Domenech, dem bei all dem freigebig verteilten Vorschusslorbeer fast in Vergessenheit geratenen sélectionneur, wird nachgesagt, sein Einverständnis zu Zidanes Comeback – so es eines solchen denn überhaupt bedurfte – nur deshalb gegeben zu haben, weil keiner seiner Mannen so souverän mit stehenden Bällen umgehen könne.“

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