Deutsche Elf
Desaster
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| Freitag, 19. August 20052:2 in Holland, ein gutes Ergebnis, oder, Stefan Osterhaus (NZZ 19.8.)? „Was passabel klingt, war über weite Strecken ein Desaster für die Deutschen. Sie wurden vorgeführt und waren dem Gegner in jeder Hinsicht unterlegen. Nicht die Steigerung in der zweiten Halbzeit, die richtigen Einwechslungen des Schalkers Gerald Asamoah und des Münchners Sebastian Deisler, der eines seiner besten Länderspiele zeigte, waren für den Aufschwung verantwortlich. Nein, es waren die Holländer selber, die sich am eigenen Spiel ergingen und es versäumten, mit drei oder vier Toren Differenz zu gewinnen.“
Zu einem Remis gemogelt
Holland scheint den Deutschen einige Schritte voraus, merkt Markus Völker (taz 19.8.): „van Basten und die Elftal arbeiten an den oberen Stockwerken, während Klinsmanns Trupp der Neuerer noch am Fundament werkelt. Der Bundestrainer meinte nichtsdestotrotz, für die Hochbauarbeiten bleibe genügend Zeit. So bleibt von diesem Spiel vor allem die Erkenntnis, dass die DFB-Elf nicht standesgemäß verlieren kann, sondern sich selbst bei teilweise krasser Unterlegenheit zu einem Remis mogelt.“
Geschichte wiederholt sich
Was soll neu an diesen Deutschen sein? Philipp Selldorf (SZ 19.8.) versetzt sich in die Holländer: „Mertesacker und Huth gehören zu den Spielern, die das neue, junge Fußball-Deutschland repräsentieren sollen, eine progressive Bewegung, die auch in Holland für Neugier gesorgt hatte. Allerdings setzte sich bei den Gastgebern nach dem tatsächlich noch 2:2 beendeten Spiel die Erkenntnis durch, dass sie einem Schwindel aufgesessen waren, nicht nur wegen der indisponierten Jungverteidiger: Die Geschichte aus früheren Begegnungen wiederholte sich. Holland spielte mit Lust und Leichtigkeit, Deutschland taumelte, nutzte aber die einzig wachen Momente.“
Spieltechnisches Ungleichgewicht
Roland Zorn (FAZ 19.8.) gibt den Kritikern zu bedenken: „Genaue Prognosen verbieten sich, so daß die allgegenwärtigen Farbenlehrmeister des Fußballs ihre Wandmalereien im Spektrum Rosarot bis Pechschwarz noch nicht beginnen sollten. Es ist Mitte August, und der Ball in den europäischen Profiligen kommt eben wieder ins Rollen. Deutschland hat vor allem Glück gehabt und schneidet deshalb bei den Hütern der reinen Fußballehre, die besonders gern besonders radikal und immer wieder vorschnell urteilen, schlecht ab. Doch die Mannschaft von Jürgen Klinsmann ist nicht als einzige unter den Großmächten des Fußballs schlecht in die WM-Saison gestartet. (…) Was bedenklich stimmte, war das spieltechnische Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Mannschaften. Die Niederländer scheinen aus einem unerschöpflichen Reservoir bestens ausgebildeter Talente zu schöpfen, die Deutschen sind auf die Lust, Laune und Tagesform ihrer wenigen Spieler von gehobener internationaler Klasse angewiesen.“
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Die schwersten Fehler seiner Amtszeit
Andreas Lesch (BLZ 19.8.) kommentiert die Reaktivierung von Christian Wörns und Dietmar Hamann: „Der Bundestrainer hat die schwersten Fehler seiner Amtszeit begangen. Hamann passt nicht in das System, das Klinsmann propagiert. Er spielt Rückpässe, er setzt keine Impulse, er nimmt jegliche Überraschung aus dem Spiel – und all dies auf der zentralen Position im defensiven Mittelfeld, die im modernen Fußball viele Mannschaften so entscheidend prägt. Wörns hat bei beiden Gegentreffern mitgeholfen, und Per Mertesacker, der beim Confederations Cup eine verlässliche Stütze war, hat neben ihm auch zu wackeln begonnen.“
Abweichung vom Grundsatz
Einschränkend fügen Ralf Köttker & Lars Gartenschäger (Welt 19.8.) hinzu: „Es waren nicht allein die beiden Rückkehrer, die der allgemeinen Aufbruchstimmung uninspiriert entgegentraten. Nach den vielen Abwehrfehlern beim Konföderationen-Pokal hatte sich Klinsmann gegen den Rat von Chefscout Urs Siegenthaler, der empfohlen hatte, den Gegner bereits in dessen Hälfte unter Druck zu setzen, für eine destruktivere Taktik entschieden. Mit Torsten Frings, Fabian Ernst und Hamann stellte er gleich drei defensive Spieler [of: also sechs?] in das zuletzt so angriffslustige Mittelfeld. Damit rückte Klinsmann erstmals in seiner Amtszeit von seiner Offensivphilosophie und dem Grundsatz ab, zuerst auf die eigenen Stärken zu schauen.“
Die Gewinner saßen vor dem Fernseher
Hat Klinsmann durch die Aufstellung Hamanns und Wörns’ der Welt zeigen wollen, dass seine bisherigen und künftigen Personalentscheidungen richtig gewesen sein werden? Mike Glindmeier (SpOn 18.8.): „Klinsmann wird den desolaten Auftritt der Rückkehrer mit einem lachenden und einem weinenden Auge beobachtet haben. Zumindest dürfte ihn das Spiel in seiner Linie, den jungen Spielern den Vortritt vor den Routiniers zu geben, bekräftigt haben. Die Gewinner saßen vor dem Fernseher: Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski.“
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Eine Art Quasimodo der Maskottchen
Auch das noch! Philipp Selldorf (SZ 19.8.) klagt über eine weitere Niederlage: „Anlässlich des stets aufschlussreichen Wettstreits zwischen Deutschland und Holland bietet sich auch ein Vergleich der nationalen Maskottchen an. Desto mehr, da beide Länder Löwen zu ihren Symbolfiguren bestimmt haben und sie im De Kuip zwecks Völkerverständigung einen gemeinsamen Auftritt absolvieren ließen. So tummelten sich Deutschlands ‚Goleo’ und Hollands ‚Duchy’ während der Pause auf dem Rasen und setzten fort, was die Teams im Spiel gezeigt hatten. Hier der agile, ballfertige Duchy, übrigens ordentlich behost, dort der bemitleidenswerte Riese Goleo mit seinen schlackernden Gliedmaßen und dem töricht wackelnden Kopf, eine Art Quasimodo der Maskottchen. Goleos Versuch, den Ball zu treten, glich einem von Sadisten erdachten Experiment.“