indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Ich hatte bei den Medien nie einen Bonus

Oliver Fritsch | Freitag, 2. September 2005 Kommentare deaktiviert für Ich hatte bei den Medien nie einen Bonus

Christian Wörns mit Stefan Hermanns & Michael Rosentritt (Tsp 2.9.)
Tsp: Glauben Sie, dass Sie kritischer betrachtet werden als andere Verteidiger?
CW: Sehen Sie, ich wurde als Schuldiger für das erste Gegentor gegen Holland ausgemacht. Man hat mir vorgehalten, dass ich den Ball zur Seite hätte wegköpfen müssen. Ich war heilfroh, dass ich den Ball überhaupt gekriegt habe. Da muss man sich auch ein bisschen auf seine Nebenleute verlassen können.
Tsp: Aber beim 2:0 der Holländer ist Ihnen Arjen Robben davongelaufen.
CW: Wenn der Stürmer in vollem Tempo auf dich zukommt, kannst du als Abwehrspieler nur schlecht aussehen.
Tsp: Manche sagen, dass Sie mit 33 Jahren nicht mehr der Schnellste sind.
CW: Das ist ein Vorurteil. Ich bin so schnell, dass mir noch keiner weggelaufen ist.
Tsp: Glauben Sie?
CW: Das weiß ich. Meine Sprintwerte sind gut. In der Nationalmannschaft gehöre ich immer noch zu den Schnelleren.
Tsp: Sie würden also sagen, dass das Problem nicht in der Abwehr liegt, sondern im Defensivverhalten der gesamten Mannschaft.
CW: So ist es, aber alles fokussiert sich auf die Abwehr. (…)
Tsp: Jürgen Klinsmann hat sehr viele junge Abwehrspieler in die Nationalmannschaft geholt. Gefällt Ihnen das?
CW: Es ist generell sehr positiv, dass wir jetzt einen größeren Konkurrenzkampf haben. Wenn ein Spieler verletzt ist, kann ein anderer nachrücken. Diese Breite hat uns in den vergangenen Jahren gefehlt. Wir hatten immer gute Spieler, aber wenn einer oder zwei verletzt waren, haben wir Probleme bekommen.
Tsp: Sie spielen seit fast 15 Jahren für die Nationalmannschaft. Aus Ihrer Erfahrung: Haben jüngere Spieler eher einen Bonus?
CW: Also, ich habe das Gefühl, ich hatte bei den Medien nie einen Bonus, auch als junger Spieler nicht. Bei mir wurde schon immer sehr kritisch hingesehen. Wenn ich dann sehe, wer da immer gepuscht und ins Gespräch gebracht wird, obwohl er nicht einmal im Verein seine Leistung bringt – das wundert mich immer wieder.
Tsp: Wen meinen Sie?
CW: Das werde ich Ihnen nicht sagen.

Die Deutschen brauchen immer einen Schuldigen

Jens Lehmann mit Ralf Köttker & Lars Gartenschläger (Welt 1.9.)
Welt: In England, Frankreich oder Italien sind die Nationaltorhüter gesetzt. Wie nehmen die Kollegen im Verein Ihre Situation wahr?
JL: Sie lachen darüber. Ich verlange auch nicht von meinem Trainer Arsene Wenger, daß er sich jede Woche für mich aus dem Fenster hängt. Es ist okay, wenn das andere machen.
Welt: Sie waren 1998, 2000, 2002 und 2004 Ersatzmann. Wie haben Sie diese Turniere erlebt?
JL: 1998 habe ich gesehen, daß Lothar Matthäus gespielt hat, obwohl er nicht besser war als andere. Thon war die bessere Besetzung, aber er wurde geopfert. Damals habe ich den Eindruck bekommen, daß in Deutschland nicht immer auf Leistung geschaut wird, sondern wichtig ist, was der Öffentlichkeit am besten verkauft werden kann. 2000 war genau das gleiche mit Lothar Matthäus. 2002 war trotz Losglück das schönste Turnier. 2004 lief es von den Mechanismen ähnlich wie 1998 und 2000.
Welt: Würden Sie sich noch einmal auf die Bank setzen?
JL: Ich werde spielen.
Welt: Sie haben beklagt, daß sie als Legionär keine große Lobby haben. Wie haben Sie die Kritik an Dietmar Hamann nach dem 2:2 gegen Holland empfunden?
JL: Es ist typisch deutsch. Die Deutschen brauchen immer einen Schuldigen. Es war ein Organisationsproblem der Mannschaft, da kann man nicht Didi als Synonym für Mißerfolg rausstellen. Er ist der einzige deutsche Spieler, der in den vergangenen Jahren gut im Ausland klargekommen ist. Trotzdem wird er verteufelt, genau wie Robert Huth. Beide lernen in einer Topliga vielleicht mehr in 25 Spielen als wenn jemand hier 50 Spiele macht.
Welt: Geht die Öffentlichkeit in England anders mit Nationalspielern um?
JL: Solange sie sich gut benehmen, wird ihnen Respekt entgegengebracht. Die Leute werden kritisiert, aber nicht verteufelt.

FAZ: Torwartfrage, letzter Stand

Das kann doch keiner mehr hören, das kann doch keiner mehr lesen

Christof Kneer, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, stöhnt in einem Hintergrundgespräch mit dem indirekten freistoss über die Torwartfrage: „Das kann doch keiner mehr hören, das kann doch keiner mehr lesen. Im Herbst 2004 war das vielleicht noch spannend, da haben alle Toni Schumacher angerufen, und wenn der das Handy ausgeschaltet hatte, dann haben sie Uli Stein angerufen. Aber jetzt ist alles von allen gesagt.“ Das ganze Gespräch und weitere wichtige Erkenntnisse über die deutsche Elf und die Medien lesen Sie in der freistoss-Presseanalyse „Die deutsche Fußballnationalmannschaft im Umbruch“, die Sie hier kostenlos bestellen können.

Tsp-Interview mit Otto Schily über Sicherheit bei der WM und den Ticketverkauf

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