Deutsche Elf
Zu einem ganz normalen Bundestrainer geschrumpft
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| Montag, 5. September 20050:2 gegen die Slowakei – Andreas Lesch (BLZ 5.9.) kritisiert Jürgen Klinsmann: „Klinsmann ist neun Monate vor der WM ins Schleudern geraten. Bei seinem Amtsantritt hat er einen hübschen Reformplan präsentiert, der gekrönt werden sollte durch den Titelgewinn. Die Zeit bis zum Turnier schien detailliert durchgeplant zu sein. Klinsmann schien in allem, was er tat, den Anweisungen aus einem Managerhandbuch zu folgen. Jede seiner Entscheidungen beschrieb er als logischen Bestandteil eines großen Plans, der am Ende allein deshalb aufgehen muss, weil er absolut schlüssig ist. Nun aber ist, nach dem gruseligen Auftritt in Rotterdam, schon zum zweiten Mal ein Testkick daneben gegangen – und es scheint, als habe Klinsmann gegen dieses Versagen kein Rezept; als sei es in seinem Handbuch nicht vorgesehen. Viele Entscheidungen des Bundestrainers sind unlogisch geworden. Sie widersprechen den Grundsätzen, die er lange laut gepredigt hatte. (…) Klinsmann, der große Erneuerer, ist zu einem ganz normalen Bundestrainer geschrumpft. (…) Es ist erstaunlich, wie schnell die positive Stimmung des Confederations Cup verflogen ist.“
Sich selbst verraten
Stefan Hermanns (Tsp 5.9.) fügt hinzu: „Klinsmann hat sich selbst verraten. Als er vor einem Jahr Bundestrainer wurde, hat er sich als Mann mit festen Prinzipien positioniert. Er hat die Verjüngung der Mannschaft forciert, die Stammplatzgarantie dem ewigen Konkurrenzkampf geopfert und alle Positionen ausschließlich mit Spezialisten besetzt. All das hat er gegen die Slowaken aufgegeben. (…) Die Auswahlkriterien des Bundestrainers werden immer diffuser.“
Vergeßlich
Michael Horeni (FAZ 5.9.) hat mit Rückschlägen gerechnet und mahnt die Kritiker zum Maßhalten: „Nachdem sich Jürgen Klinsmann vor dreizehn Monaten an das Projekt machte, die Nationalmannschaft in einem Erneuerungsprozeß zur Weltmeisterschaft zu führen, scheint es nun nach den Rückschlägen von Rotterdam und Bratislava den schärfsten Kritikern so, als ob es die Zeit davor nie gegeben hätte. Daß die Verjüngungskur und der Mentalitätswandel im deutschen Fußball seit dem Sommer 2004 ohne jeden Rückschlag in eine einzige Erfolgsserie mit dem Titelgewinn münden würde, damit konnte im Ernst niemand rechnen. Die Entwicklung bis zum Confederations Cup war schon erstaunlich genug. (…) Noch steht der WM-Erfolg der Nationalmannschaft nicht auf dem Spiel – wohl aber die WM-Stimmung im vergeßlichen Fußball-Deutschland.“
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Auseinandersetzung
Die unendliche Torwartdiskussion – Ludger Schulze (SZ 5.9.) wünscht sich, wenn schon kein Ende, doch wenigstens nicht so viel Dummheit: „Klinsmann hat mit einigem Recht einen notwendigen Konkurrenzkampf eröffnet, den er dadurch zu entschärfen versuchte, dass derzeit jeweils nur einer bei den Länderspielen dabei ist. Dennoch droht die Auseinandersetzung aus dem Ruder zu laufen. Aber hätte Klinsmann den Konflikt von vornherein vermeiden können? Ungeprüft den Amtsinhaber Kahn zur immerwährenden Nummer 1 zu deklarieren, wäre einer Pflichtverletzung gleichgekommen. Vermutlich hätte Lehmann dann den Rückzug angetreten, was zweifellos ein sportlicher Verlust gewesen wäre. Denn was tun, wenn sich Kahn vier Wochen vor WM-Beginn die Hand bräche oder in eine tiefe Formkrise geriete? Wie man Klinsmann einen solchen vorzeitigen Beschluss um die Ohren gehauen hätte! Dass er ein guter Nationalkeeper ist, hat Jens Lehmann mit einer fehlerlosen Leistung gezeigt. Bei vier Turnieren von 1998 bis 2004 hat er brav seine Zeit auf der Bank abgesessen, nun, mit 35, bietet sich ihm die letzte Chance auf aktive Teilnahme an einem Welt-Ereignis. In Anbetracht der Lobby seines Gegenüber ist diese Chance vermutlich nicht einmal eine echte. Beides erklärt Lehmanns gelegentliche Überreaktionen. Diesmal allerdings behielt er die Nerven. Sachlich hielt er der Kritik Beckenbauers das Argument entgegen, von seinem Klub, dem FC Arsenal, mische sich weder der Präsident noch der Torwarttrainer ein.“
In keinster Weise
Michael Horeni (FAZ 5.9.) singt den Klinsmann-Refrain: „Ob denn nach diesem Auftritt sein Ziel, Weltmeister zu werden, korrigiert werden müsse, wurde der Bundestrainer gefragt. Klinsmann reagierte darauf, wie er immer reagiert, wenn er eine unliebsame Diskussion beenden möchte, die sich zu verselbständigen droht: ‚In keinster Weise’. Diese entschiedene Redewendung, die von Zweifel nichts wissen will, mußte der Bundestrainer viel häufiger benutzen, als ihm lieb war. Ob er denn nicht seine Anfangsformation bereue? ‚In keinster Weise’. Angesichts der vorgefertigten Abwehrsequenzen des Bundestrainers stellte sich die Frage, ob sich aus der zur Schau gestellten Selbstgewißheit tatsächlich ernsthafte Rückschlüsse auf den wirklichen Zustand der Nationalmannschaft ziehen lassen. In keinster Weise – ist man versucht zu sagen. (…) Ob ihm bei der Suche nach einer Stammformation unter diesen Umständen nicht langsam die Zeit davonlaufe, wurde er gefragt: ‚In keinster Weise’.“