Bundesliga
Aufgesetzt?
Kommentare deaktiviert für Aufgesetzt?
| Montag, 12. September 2005Hohn für Mainz 05 – Thomas Kilchenstein (FR 12.9.) vermutet dahinter Kleingeisterei: „Es gibt einige Leute in der Fußballszene, die Schadenfreude über den Fehlstart des FSV Mainz 05 nicht verhehlen können. Das ist interessant, weil den Mainzern im vergangenen Jahr die Herzen der Fans zugeflogen sind. (…) Warum jetzt der Gesinnungswechsel? Ist es das – angeblich – typisch deutsche Element, neidisch auf die Strahlenden zu sein? Ist es diese seltsame Lust am Einreißen von Denkmälern, dem Kleinmachen von Erfolgreichen, vielleicht auch dem Widerstand gegenüber allem Neuen? Oder nervt die permanente Schönfärberei? Ähnlich liegt der Fall übrigens ja auch beim Nationalmannschafts-Reformer Jürgen Klinsmann, der mit seiner ständigen Lobpreisung, selbst nach üblem Gekicke, die Grenze des Erträglichen, sagen wir, bisweilen streift. Jürgen Klopp und Mainz 05 könnten Gefahr laufen, unglaubwürdig und aufgesetzt zu wirken. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge: die eigenen Farben gut zu verkaufen und dabei die Wirklichkeit nicht auszublenden.“
Asterix-Instinkt
Stefan Hermanns (Tsp 12.9.) überraschen die Mainzer Niederlagen nicht: „Es ist der normale Zyklus, der einen Aufsteiger zunächst weit nach oben trägt, im zweiten Jahr aber auch wieder zurück zu den Ursprüngen führt. Diese Entwicklung ist kein Hexenwerk; sie resultiert aus einem nur allzu menschlichen Verhalten. Dass die Mainzer in der vorigen Saison als natürliche Absteiger galten, hat ihren Asterix-Instinkt geweckt. Sie liefen und kämpften, und sie behaupteten sich gegen übermächtige Gegner.“
Stets latent vorhandene Bayern-Arroganz
Elisabeth Schlammerl (FAZ 12.9.) schreibt über das 2:1 der Bayern in Nürnberg: „Die Bayern vermitteln das Gefühl, in der Bundesliga nicht richtig gefordert zu sein. Der Start der Champions League kommt da gerade recht. Aber anders als in den vergangenen Jahren, als die Bayern oft so ihre liebe Mühe in der Liga hatten, wenn ein internationaler Auftritt bevorstand, scheinen sie im Moment mit der Konzentration auf mehrere Wettbewerbe noch keine Schwierigkeiten zu haben. (…) Die Bayern jagen sich derzeit gerade selbst, und es sieht beinahe so aus, als ob sie sich auch nur selbst stoppen können. Wenn die Selbstgewißheit zu groß wird, kommt gerne Leichtsinn ins Spiel. Wenn Rummenigge nach 4 von 34 Spieltagen schon verkündet, „wir werden uns nicht mehr einholen lassen“, ist das nicht nur Ausdruck großen Selbstbewußtseins, sondern eben auch der stets latent vorhandenen Bayern-Arroganz, die manchmal sehr offensichtlich wird.“
Man findet halt immer Argumente für die eigene Wahrheit
Frank Heike (FAZ 12.9.) hört Ewald Lienen nach dem 2:0 über Frankfurt zu: „Gelöst und zu Späßen aufgelegt war Lienen. Er hatte Argumente für seine sehr vorsichtige Spielweise gesehen: vier Großchancen nämlich, die aber vergeben wurden. So unattraktiv sei seine Art des Fußballs also gar nicht, schloß Lienen daraus. Nun ja. Gegen einen mäßigen Gegner wie Frankfurt wäre ein wenig mehr Mut schön gewesen. Doch Lienen erwartet vor allem linientreue Defensivarbeit von seinen Profis; vor allem auch von den Stürmern, die darüber öfter mal klagen. Weil Frankfurt einige wirklich gute Möglichkeiten zum Tor hatte, sah sich der Trainer darin bestätigt, das Defensivkonzept weiter zu verfeinern – man findet halt immer Argumente für die eigene Wahrheit.“
Neue Dimension von Fehlern
1:1 zischen Leverkusen und Schalke – Christoph Biermann (SZ 12.9.) hat immer einen Vergleich aus der Fußball-Geschichte parat: „Auch als Meister des kleinen Fehlers ist Frank de Boer in Holland zum Rekordnationalspieler geworden. Be Boertjes nannte man die kleinen Unachtsamkeiten des Verteidigers, die stets aus einer Mischung von zu viel Selbstvertrauen und zu wenig Konzentration entstanden. Als de Boer seine Karriere beendete, zeigte das Fernsehen die Sammlung seiner hübschesten Patzer. Auch bei Schalkes serbischem Nationalspieler Mladen Krstajic könnte man bald ein Band ähnlicher Aussetzer zusammenschneiden. Bei ihm gibt es ein ähnliches Phänomen zu beobachten, das man entsprechend Krstajicsche nennen könnte. Der Innenverteidiger erlaubt sich mit Regelmäßigkeit haarsträubende Aussetzer, die eher Überheblichkeit als fehlender Klasse entspringen. In Leverkusen jedoch stieß er eine neue Dimension vor und produzierte Krstajicsche für so viele Wochen im voraus, dass es fast beängstigend war.“
Rolleninterpretationsproblematik
Bernd Müllender (FTD 12.9.) amüsiert sich über den Soziologenjargon Ralf Rangnicks und das Herberger-Deutsch Klaus Augenthalers: „Beide temporären Erscheinungen auf der Trainerbank zeigten sich des Spitzentreffens verbal würdig. Rangnick, manchmal ‚Fußball-Professor’ genannt, sprach seiner Elf schwer soziologisch ‚ein Problem in der Interpretation von Rollen’ zu. Und Kollege Augenthaler, der niederbayerische Analytiker, ist auf dem Weg zum Herberger-Wiedergänger: ‚Fußball ist ein Kampfsport. Er ist nur schön, wenn du nachher richtig ausgepumpt in der Kabine sitzt und einen Verband brauchst.’ Die letzten seiner Elf kamen erst über eine Stunde nach Spielschluss aus dem ‚medizinischen Bereich’ geschlurft. Da hatte Rangnick schon den halben Weg ins 180 Kilometer entfernte Eindhoven hinter sich, wo Gegner PSV im ersten Champions-League-Spiel wartet. International, das wissen alle Fußballer, wird Fahrlässigkeit in der Rolleninterpretationsproblematik schnell bestraft.“
Stoccarda und Trapattoni – ein großes Mißverständnis?
1:1 gegen Bielefeld – Roland Zorn (FAZ 12.9.) nimmt Stuttgarts Trainer hoch: „Die Hände des Maestros wirbelten durch die schwüle Stuttgarter Spätsommerluft, als müßte Giovanni Trapattoni gleichzeitig drei große Orchester und dazu noch die Fischer-Chöre dirigieren. Dazu brüllte der 66 Jahre alte Altmeister unter den großen Fußballehrern seinen Spielern unentwegt Rückzugsbefehle zu. Vergeblich. Die trapattonischen Worte des silbrigen Trainers voller Leidenschaft verhallten, und auch die Zeichensprache des Platzanweisers verstanden dessen Schutzbefohlene nicht zu deuten. Und so kam, was kommen mußte: Trapattonis Mannschaft verspielte die Führung. Es war also wieder nichts mit dem ersten Saisonsieg für den vom Titelmitbewerber zum Mitläufer der Bundesliga geschrumpften VfB. 34 000 Zuschauer schmollten ihrem Team, während Trapattoni schäumte und in seiner deutsch-italienischen Wutrede danach aufpassen mußte, daß ihm kein Rückfall in die ‚Was erlauben Struuunz’-Ära widerfuhr. (…) Stoccarda und Trapattoni – hoffentlich wird diese Beziehung nicht zu einem großen Mißverständnis.“
Oliver Trust (Tsp 12.9.) ergänzt: „Es ist wirklich schwer, ihn zu verstehen, und das hätten sie auch in Stuttgart wissen können. Um besser mit dem Weltmann Trapattoni kommunizieren zu können, nimmt VfB-Präsident Erwin Staudt seit Wochen intensiv Italienischunterricht. Staudt verteidigt die Verpflichtung des Trainers, und der Aufsichtsrat war ebenfalls davon angetan, einen Mann zu holen, der 21 Titel gewann. Diese Zahl nennt Trapattoni immer wieder, wenn er mehr Respekt einfordert. In seinen Vorträgen ist nur noch wenig vom Charme geblieben, mit dem er bei Dienstbeginn im Juli das Publikum becircte. Trapattoni schaut finster drein, während die Zahl derer wächst, die glauben, dass die Sache nicht mehr lange gut geht.“
FR: Kaiserslautern ist kein Gegner für beschwingte Bremer
Bildstrecke vom 4. Spieltag, sueddeutsche.de
Fußball in Europa: Torschützen und Tabellen, NZZ