Bundesliga
Viele fiese Beispiele
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| Freitag, 23. September 2005Rote Karten, Tritte auf Liegende, Rudelbildung, Aufforderungen zum Foulspiel (Uwe Rapolder) – Klaus Hoeltzenbein (SZ 23.9.) beanstandet Manieren: „Sind dies bereits die Vorboten der WM 2006, die zu Nervosität und Gereiztheit führt, da alle im nächsten Sommer in Tabelle und Bilanz blendend dastehen wollen? Oder war es doch nur das Flutlicht des ersten Nachtspieltages, das stimulierend auf Adrenalin und Endorphine wirkte? (…) Profis werden behaupten, dass es ein normaler Spieltag war, dieser sechste der Saison. Amateure und Jugendliche aber haben wieder viele fiese Beispiele gefunden, von denen sie annehmen könnten, sie seien fürs nächste Wochenende zur Nachahmung empfohlen.“
Zweck-Ehe
1:2 gegen Hamburg – Jan Christian Müller (FR 23.9.) rechnet mit der Scheidung Stuttgarts von Giovanni Trapattoni: „Der Verdacht, dass sich die Liebesheirat VfB/Trapattoni bereits nach ein paar Wochen zur Zweck-Ehe destabilisiert hat, verdichtet sich. Es drängt sich die Annahme auf, dass einer Trennung von Trapattoni, Vertrag bis 2007, vor allem finanzielle Überlegungen entgegenstehen. In einem Anflug von Fatalismus sagte der Trainer zu seinem Verhältnis zum VfB: ‚Wir passen zusammen. Man muss freilich wissen: Frau und Mann lieben sich – und gehen trotzdem auseinander.’ Da klingt bereits ein kalter Hauch von Wehmut durch.“
Ratlosigkeit und Enttäuschung
Oliver Trust (FAZ 23.9.) blickt auf die Stuttgarter Vereinsführung und runzelt die Stirn: „Vor ein paar Tagen erst hat Dieter Hundt Forderungen aufgestellt, die nun wie unüberwindbare Berge wirken. Champions-League-Qualifikation, Halbfinale im Uefa-Cup, Trendwende – Schlagworte, die der Vorsitzende des VfB-Aufsichtsrates in einem Interview verwendet hat. Hundt hätte keinen unpassenderen Augenblick wählen können, um sich mit Aussagen, die Drohgebärden ähneln, als einflußreicher ‚Mr. Hire and Fire’ des VfB zu positionieren. Es offenbart sich vielmehr, daß die zahlreichen Führungskräfte aus der Wirtschaft, so umfassend ihre ökonomische Kompetenz auch sein mag, im Fußballgeschäft über wenig Erfahrung verfügen. So bestimmten Ratlosigkeit und Enttäuschung die Szenerie.“
Kündigungsschutz gelockert
Hätte Stuttgart Trapattoni überhaupt engagieren sollen, Peter Ahrens (SpOn 22.9.)? „War der Meistertitel für Benfica Lissabon dem Club nicht in den Schoß gefallen, weil der einzige Rivale von Rang, der FC Porto, ein Jahr lang nichts anders als post-Mourinhosche Trauerarbeit verrichtet hatte? Trapattoni ist das italienische Wort für Rückwärtsgewandtheit. Und das dürfen jetzt auch die Stuttgarter buchstabieren. IBM hat kürzlich angekündigt, weltweit 14 500 Stellen abzubauen. Es kann gut sein, dass der ehemals leitende IBM-Angestellte Staudt in nächster Zukunft ebenfalls eine Entlassung vornimmt. Retten könnte den 66-jährigen Defensivfanatiker Trapattoni höchstens, dass ja noch ein anderer Chef der deutschen Wirtschaft beim VfB kräftig mitmischt. Der frühere Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt leitet den Aufsichtsrat. Und zu dessen Credo gehörte schließlich stets die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Der Kündigungsschutz für Trapattoni ist zumindest schon gelockert.“
Bernd Dörries (SZ 23.9.) verweist auf die Leistung der Mannschaft: „Diesmal hatte man über weite Teile des Spiels das Gefühl, dass der Trainer nun eine Variante gefunden hatte, die ganz gut zusammen passt. Zumindest machte der VfB sein bestes Spiel der Saison, was angesichts der vorausgegangenen Leistungen zwar nicht schwierig war, sich aber teilweise durchaus ansehnlich gestaltete. Es liegt also eine gewisse Ironie darin, dass Trapattoni, jetzt, da seine Mannschaft das erste zarte Zeichen des Aufschwungs abgeliefert hatte, seiner Entlassung ein gutes Stück näher gekommen ist.“
Bolzerei
Nürnberg spielt gegen Schalke (1:1), und Philipp Selldorf (SZ 23.9.) schließt die Augen: „Die Besucher mochten den Eindruck haben, ein englisches Zweitligaspiel aus den alten Zeiten des Rick & Rush zu erleben. Woran zwar beide Seiten ihren Anteil hatten. Kaum zu glauben jedoch, dass feine Fußballer wie Lincoln, Kobiaschwili, Bordon oder Krstajic zu so einer geballten Menge planloser Bolzerei imstande sind. Rangnick konnte es selbst nicht wahrhaben: ‚Ich habe Sachen gesehen von meinen Spielern, da muss ich mich fragen, ob sie ihr Double geschickt haben. Was anderes fällt mir dazu nicht ein.’ Damit hatte er zwar prinzipiell recht, doch ist es erfahrungsgemäß kein gutes Zeichen, wenn Trainer in ihrer Enttäuschung als Kronzeuge der Anklage gegen die Mannschaft auftreten.“
Vorturner
Noch ein Sieg (2:1), diesmal gegen Köln – Gregor Derichs (FAZ 23.9.) nennt den Vorzug Rudi Völlers: „Warum Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser aus dem Sportchef Völler gerne dauerhaft den Cheftrainer gemacht hätte, wurde im Duell mit Köln deutlich. Bei der Einstellung der Mannschaft und der einzelnen Spieler, mit seinen taktischen Änderungen und speziell beim Coaching wirkte Völler deutlich engagierter als der frustrierte Augenthaler an seinen letzten Arbeitstagen. Das Team, das das vierte Spiel binnen zehn Tagen zu bestreiten hatte, benötigte wie beim 3:1 in Duisburg einen Vorturner, der mit seinem kämpferischen Optimismus zum Vorbild wurde.“
Karibisch
In der Welt lesen wir: „Der als karibisch, aber auch zu verbissen geltende Sammer muß die hartnäckigen Kritiker nun überzeugen.“
Mit dem Schlimmsten rechnen
Michael Eder (FAZ 23.9.) fühlt die Stimmung in Kaiserslautern nach dem 0:2 gegen Mainz: „Es herrscht schon nach sechs Spieltagen helle Aufregung, und Trainer Henke redet wie einer, der sich bereits vor der Entlassung fürchtet. Wenn seine Mannschaft weiter auf einem Niveau spielt gegen die in der Summe deutlich überlegenen Mainzer, dann tut er dies im Lauterer Umfeld mit Recht. Die Pfälzer hatten vor der Saison andere Ziele als Mainz, aber gemessen am Auftritt vom Mittwoch, wäre es auch für die Pfälzer ratsam, mit dem Schlimmsten zu rechnen und dagegen anzukämpfen.“
Flagellantismus
Wie kann man sich das nur freiwillig antun? Tobias Schächter (SZ 23.9.) blickt ins Publikum (und empfiehlt, indirekt, Klaus Wowereit als Schirmherren): „Auch wer kein Anhänger von Verschwörungstheorien ist, stellte sich während dieser ironiefreien Darbietung dilettierender Profifußballer Fragen wie diese: War der 21. September des Jahres 2005 der Beginn eines neu keimenden Flagellantismus? Sind diese 39 123 Menschen, die zum Spiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Mainz 05 pilgerten, Nachfahren jener schwärmerischen Laien, die im Mittelalter aus Bußeifer heraus durch Westeuropa zogen und sich bei entblößtem Oberkörper unter Psalmengesang öffentlich geißelten? Als Jürgen Klopp einen Mann namens Tom Geißler einwechselte, schien es an dieser Theorie keine Zweifel mehr zu geben. Als jedoch eine gute Viertelstunde später Schiedsrichter Franz Xaver Wack in seine Pfeife blies und der Tortur ein Ende setzte, hatten die Verfechter der Flagellantismustheorie plötzlich keine Argumente mehr. Die Reaktionen zeigten: Die Menschen waren nicht der Geißelung um ihrer selbst willen gekommen, sie hatten nach Erlösung gesucht.“
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