Deutsche Elf
Teil seiner Pflicht
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| Dienstag, 11. Oktober 2005Nun fordert auch Philipp Selldorf (SZ 11.10.) Jürgen Klinsmanns Anwesenheit in Deutschland: „Wenn Klinsmann sein unbeschwertes Leben in Kalifornien fortsetzen will, muss er sich öfter mit dem harten Job in Deutschland befassen, durch persönliche Gegenwart an Ort und Stelle. Jede Fernbeziehung erträgt nur ein gewisses Maß an Absenz, sonst gehen Vertrauen und Substanz verloren. Schon hat man manchmal den Eindruck, Klinsmann habe nicht den richtigen Blick für die fußballerischen Eigenheiten seiner Kandidaten, weil er sie nur aus dem Fernsehen kennt. Es ist eben doch nicht nur ein für die Kameras inszenierter Tätigkeitsnachweis, wenn der Bundestrainer bei den Bundesligaspielen auftaucht. Es ist auch Teil seiner Pflicht.“
Stilfragen
Richtig gelegen – Michael Horeni (FAZ 11.10.) vermutet hinter der aktuellen Diskussion um Klinsmanns Training eine Fortsetzung der „Wohnsitzdebatte“: „In dieser oberflächlich geführten Diskussion äußert sich nicht zuletzt ein verbreitetes Gefühl im deutschen Profifußball, dem die ganze Richtung nicht paßt. Viele mögen nämlich nicht akzeptieren, daß der Bundestrainer bis zur unmittelbaren WM-Vorbereitung weiter in Kalifornien leben will und die Bundesligaspiele für nicht so wichtig nimmt, um sich ständig ein Bild davon zu machen. Daß die deutsche Mannschaft auch nicht dadurch zum WM-Favoriten wird, wenn der Chef statt seines Assistenten jeden Samstag die trübe deutsche Ware begutachtet, wissen die Assauers und Hoeneß‘ dieser Fußball-Welt natürlich auch. Es geht in dem unproduktiven Streit neben Sachfragen daher nicht zuletzt um Stilfragen. Aber der Eindruck, daß sich die Nationalmannschaft und die Bundesliga acht Monate vor der WM meilenweit voneinander entfernt haben, wird sich so schnell nicht mehr verwischen lassen.“
Stimmengewirr
Stefan Osterhaus (NZZ 11.10.) resümiert die Aussagen der üblichen und unüblichen Verdächtigen: „Es war einer jener Abende, an denen jene zu Gewinnern wurden, die nicht beteiligt waren, die aussen standen und genüsslich ihre Kommentare wie Spitzen setzen konnten. Christoph Daum, der beinahe einmal Bundestrainer geworden wäre, bevor er über ein paar Prisen Kokain stolperte, setzte sich an die Spitze der Bewegung derer, die pharisäerhaft die Demontage Jürgen Klinsmanns betrieben. (…) Der Auftritt Daums ist eine prächtige Vorlage. Nicht nur Verbal-Bulldozer wie Rudi Assauer üben Kritik. Auch besonnene Geister wie Klaus Allofs melden Zweifel an. Und allmählich bringt sich der Boulevard in Stellung. Weil Klinsmann – nicht zwingend notwendig – Leistungstests durchführen lässt, wähnen Bundesliga-Coachs ihre Profis ungebührlich gefordert. Das ist nicht besonders spektakulär, doch in der gegenwärtigen Situation kommt der Asphalt-Presse jedes Indiz recht, das gegen den Bundestrainer spricht. Das Verhältnis ist von gegenseitiger Ablehnung geprägt: Klinsmann verweigert ihnen die Exklusivität, hat vielmehr die Meinungsblätter zum engeren Zirkel geladen. Doch auch dort geht man auf Distanz zu ihm. Es ist ein Stimmengewirr, in dem die Töne des Bundestrainers umso leiser klingen.“
Indirekte Unterstellung
Stefan Hermanns (Tsp 11.10.) mutmaßt, dass die Murrenden aus der Liga sich schlicht auf ihre, schlecht gebundenen, Krawatten getreten fühlen: „Die wahren Ursachen für den Konflikt liegen tiefer. Klinsmann und Löw wollen die Mannschaft besser machen, indem sie jeden Spieler technisch, taktisch und konditionell besser machen. Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden, indirekt aber wird den Vereinstrainern unterstellt, dass sie aus ihren Spielern nicht das Maximale herausholen. Das lassen sie sich nicht besonders gerne nachsagen.“
Über das Verhältnis Jürgen Klinsmanns zu den Medien hat der indirekte freistoss eine Studie erstellt, die Sie hier gratis per E-Mail (pdf / ~ 2 MB) bestellen können.
SZ-Interview mit Klaus Allofs über „das Murren der Liga“
Welt-Interview mit Johan Micoud